Retro der Woche 17/2017

Muss man als potenzieller Löser an der heutigen Aufgabe nicht verzweifeln? Nur zwei fehlende Steine, von denen nur einen eine Bauernspur hinterlassen hat, bei Schwarz kaum sichtbare Züge: Was soll der Schwarze eigentlich die ganze Zeit gemacht haben?

Das schauen wir uns gleich zusammen an!

Satoshi Hashimoto
Problemesis 2001, 4. ehrende Erwähnung
Beweispartie in 24,0 Zügen (15+15)

 

Bei Schwarz sind im Diagramm nur vier Züge sichtbar. Nur die Dame fehlt bei Schwarz, sie muss sich also auf e3 geopfert haben, womit wir auf sechs nachgewiesene schwarze Züge kommen — genau dreiviertel aller Züge sind also noch frei.

Bei Weiß sieht es für den Löser schon besser aus; hier können wir schon einige Züge mehr sehen: 3+0+4+7+6+2=22 — “nur” zwei Züge sind noch frei!

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Retro der Woche 14/2017

Auch heute möchte ich euch wieder ein klassisches Retro vorstellen, bei dem die letzten (eindeutigen Züge) zu finden sind. Solche Aufgaben müssen übrigens trotz der relativ langen Zügezahl nicht unbedingt schrecklich schwer zu lösen sein.

Thierry le Gleuher
Probleemblad 2003
Letzte 42 Halbzüge (14+13)

 

Je nachdem, ob ich zunächst „oben“ oder „unten“ aufs Brett schaue, fallen sofort zwei Stellungsmerkmale ins Auge, die für die Auflösung wichtig sind: „Oben“ fällt auf, dass das Schachgebot gegen den weißen König nur durch Rücknahme der schwarzen langen Rochade aufgehoben werden kann. Das verrät nicht nur, welche Seite mit der Rücknahme beginnt und wie der erste Rücknahmezug lautet, sondern macht dann anschließend sTa8 und sKe8 retro-unbeweglich: Sie dürfen keine Züge mehr zurücknehmen, da sie ja „in der Zukunft noch rochieren werden“.

„Unten“ fällt sLe1 auf: er muss ein Umwandlungsstein sein, denn anders hätte er neben wBd2 und wBf2 das Feld e1 nicht erreichen können.

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Retro der Woche 07/2017

Sehr schnell konnte Kostas Prentos seinen Preisbericht zur Retro-Abteilung des 5. FIDE World Cups erstellen: Es gab nur zwölf Einsendungen, von denen auch noch zwei defekt waren. Trotz der dünnen Beteiligung gibt es im Turnier zumindest drei ganz hervorragende Aufgaben.

Den ersten Platz – Tusch und herzliche Glückwünsche nach Dresden – belegte Silvio Baier mit seiner Beweispartie, die ich heute vorstellen möchte; dabei orientiere ich mich an den Anmerkungen von Kostas.

Silvio Baier
5. FIDE World Cup in Composing 2017, 1. Platz
Beweispartie in 30,5 Zügen (13+10)

 

Die drei fehlenden weißen Steine wurden von [Bd7] auf seinem Weg nach a2 geschlagen. Zählt man die weißen sichtbaren Züge 5+1+2+3+3+5=19, so stellt man fest, dass Weiß noch zwölf Züge frei hat. In denen kann er aber nicht [Bf2], [Bg2] und [Bh2] zur Umwandlung bringen, damit drei Umwandlungssteine geschlagen oder das originale Schlagopfer ersetzen können.

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Retro der Woche 02/2017

Rustam Ubaidullajew ist einer meiner Lieblings-Beweispartiekomponisten, da er immer interessante Ideen ein wenig abseits des Mainstream sehr elegant aufs Brett zaubert.

So auch das heutige Stück, dessen Inhalt man beim Blick aufs Diagramm wohl noch nicht sofort erkennen oder erraten wird?

Rustam Ubaidullajew
feenschach 2004 – für Anna – 4. Preis
Beweispartie in 23 Zügen (16+15)

 

Nur ein einziger Stein fehlt: [Bg7] wurde von [Bh2] geschlagen. Damit wissen wir schon, dass [Bg7] gezogen haben muss – und damit sind wir schon beim Betrachten der sichtbaren erforderlichen Züge im Diagramm.

Bei Schwarz ist es erst einmal einfach: [Ke8] brauchte wegen seines Umweges über f8 mindestens acht Züge bis d1. Ferner hatten wir schon gesehen, dass [Bg7] gezogen hat. Damit [Ke8] seine heimatlichen Gefilde verlassen konnte, musste auch [Lf8] ziehen und schließlich wieder nach Hause zurückkehren. Damit haben wir elf schwarze Züge erklärt – zwölf sind noch frei!

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Retro der Woche 47/2016

Ich finde es immer wieder interessant, sich Beweispartien anzuschauen, die etwa 20 Jahre alt sind. Da merkt man, welch unglaubliche Fortschritte auf diesem Gebiet in den letzten Jahren gemacht worden sind, wie stark sich gerade diese Aufgabenart weiterentwickelt hat – vielleicht höchstens noch vergleichbar mit längeren Hilfsmatts.

Bei beiden hilft sicherlich die enorm gestiegene Möglichkeit der Computerprüfung, einerseits gewagtere Themen zu wagen, andererseits besonders elegante Fassungen zu suchen – beides natürlich voll im Sinne aller Problemfreunde.

So war auch die heutige Aufgabe zunächst inkorrekt; die nun vorliegende Fassung ist allerdings Computer-geprüft.

Olli Heimo
Die Schwalbe 1998 (V), 1. Preis
Beweispartie in 21 Zügen (10+14)

 

Die üblichen Stellungsanalysen bringen uns hier nicht sofort weiter: Zwei schwarze Steine fehlen: ein Turm (wahrscheinlich, aber nicht sicher: [Th8]; bei wBf7 wissen wir nicht, ob er von e2 oder von g2 kommt.

Mit den fehlenden weißen Steinen ist es noch schwieriger: Vier Bauern fehlen, dazu ein Turm und die Dame. Andererseits sind sicher nur zwei schwarze Bauernschläge sichtbar.

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Retro der Woche 26/2016

Ich konnte einfach nicht widerstehen, heute noch eine Aufgabe von Rustam Ubaidullajew vorzustellen, nachdem ich dies bereits in der letzten Woche getan hatte. Und wieder ist, wie man schnell sieht, ein Königsmarsch sicher nicht ganz unthematisch.

Rustam Ubaidullajew
StrateGems 2002, 2.-4. Preis
Beweispartie in 18 Zügen (15+16)

 

Der schwarze König brauchte mindestens sieben Züge, um nach c2 gelangen zu können. Neben dem [Bg7] musste auch [Lf8] ziehen (und heimkehren), um seinen Monarchen durchzulassen. Damit sehen wir schon mindestens zehn schwarze Züge; noch sind acht frei.

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Retro der Woche 25/2016

Ein allgemeiner Tipp gefällig? Wenn ihr eine Aufgabe von Rustam Ubaidullajew findet, solltet ihr sie euch anschauen! Sehr viele existieren nicht von ihm: Die PDB enthält 69 Aufgaben von ihm, ausschließlich Beweispartien.

Er zeigt nicht immer unbedingt hochmoderne Inhalte, aber all seine Aufgaben haben, finde ich, das „gewisse Extra“, zeigen stets originelle, ungewöhnliche Thematik — so auch das Stück, das ich für heute ausgewählt habe.

Rustam Ubaidullajew
Phénix 2008, 3. Preis, Michel Caillaud gewidmet
Beweispartie in 20 Zügen (12+12)

 

Natürlich fällt im Diagramm sofort der weiße König auf dem Standfeld seines Kollegen auf: Damit sind schon sieben Züge des Weißen sichtbar. Darüber hinaus sehen wir, dass [Dd1] zwei Züge brauchte, um nach a3 zu gelangen.

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Retro der Woche 09/2016

Heute möchte ich auf ein fünfzig Jahre altes Problem von Karl Fabel näher eingehen: Nicht nur, weil es eine Idee zeigt, die später mehrfach aufgegriffen wurde, sondern weil ich an diesem Problem ein historisches Diskussionsthema aufgreifen möchte.

Karl Fabel
Die Schwalbe 1966, 2. Preis
-12 & #1, VRZ Proca ohne VV (2+16)

 

Beim Verteidigungsrückzüger nehmen Weiß und Schwarz bekanntlich abwechselnd (natürlich legal) zurück, wobei Weiß das Ziel verfolgt, die Vorwärtsforderung zu erfüllen, was Schwarz zu verhindern sucht.

Beim Typ Proca entscheidet die zurücknehmende Partei, was sie (legal) entschlagen hat, beim Typ Høeg entscheidet dies die andere Seite. Der Zusatz „ohne VV“ (VV=Vorwärtsverteidigung) bedeutet, dass sich Schwarz nicht selbst durch Mattsetzen des weißen Königs verteidigen darf — genau hierauf werde ich am Ende dieses Beitrags noch zurückkommen.

Doch zunächst zur Lösungsidee: Weiß will seinen König nach g4 zurückholen, um dann mit dem Vorwärtszug 1.f5 Matt zu setzen. Hierfür verwendet er den sTa7 immer wieder, um ihn zum Schachschutz gegen die beiden sL im Südosten zu zwingen, so dass er Richtung g4 marschieren kann.

Weiß kann dabei nicht entschlagen, da alle 16 schwarzen Steine an Bord sind — und Schwarz kann z.B. mit dem Turm nicht irgendeinen störenden weißen Stein entschlagen, da alle 14 fehlenden weißen Steine durch schwarze Bauernschläge erklärt sind.

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