Retro der Woche 04/2014

Wenn ihr einmal den Verfasser einer Beweispartie raten sollt, könnte es eine gute Idee sein, auf Satoshi Hashimoto zu tippen, wenn der weiße König auf a8 stehen sollte.

Dies hatten wir bereits im Retro der Woche 23/2013 gesehen, und dorthin führt Satoshi auch bei der heutigen Beweispartie den weißen Monarchen. Dass das „Wir machen den Weg frei!“ heftige Auswirkungen auf das schwarze Spiel haben muss, kann man sich bereits gut vorstellen, schon bevor man die Aufgabe genauer betrachtet.

 

Satoshi Hashimoto
Probleemblad 2005, 1. ehrende Erwähnung
Beweispartie in 24 Zügen (16+16)

 

Betrachtet man allerdings die Aufgabe genauer, so sieht man wegen der schwarzen Bauernformation rasch, dass der weiße König nur über ein einziges Feld in das schwarze Lager gelangen konnte, nämlich über h6!

Damit ist klar, dass die schwarzen Steine zwischen g8 und b8 allesamt Platz gemacht haben und zurückgekehrt sein müssen; das sind schon einmal zwölf Züge. Doch halt, das reicht nicht immer: Der schwarze König muss mindestens vier Züge gemacht haben (anders kann der wK nicht an seinem schwarzfarbigen Kollegen vorbei kommen), und Lf8 sowie Dd8 erfordern jeweils ein zusätzliches Zugpaar, um ihr Standfeld (durch weiteren Wegzug oder Verstellung) zu „ent-decken“; beim sLc8 ist dies wegen des freien Feldes c7 nicht erforderlich. Dies gilt ebenso für den sSb8; aber hier können Springer und Dame zusammenspielen, indem sS die sD verstellt und somit kein weiteres Zugpaar erforderlich ist.

Das ist auch nötig, denn damit kommen wir bereits auf 18 erforderliche schwarze Züge; hinzu kommen Ta8-d8-d6 sowie die vier schwarzen Bauernzüge, und damit sind alle schwarzen Züge prinzipiell erkärt.

Bei Weiß sieht es ähnlich aus: der Weg des wK via h6 nach a8 erfordert zwölf Züge, hinzu kommen 2+0+3+3+4 weitere direkt im Diagramm sichtbare Züge – in Summe also ebenfalls 24.

Nach diesen Vorüberlegungen ist die Lösung sicherlich gar nicht mehr so schwierig, und bei der Zusammenstellung und Ordnung der Züge hat mich besonders die technische Rolle des wSe5 beeindruckt: Der schaut so harmlos aus, ist aber für die genaue Reihenfolge der schwarzen und weißen Zugfolgen von entscheidender Bedeutung – sehr gelungener Konstruktionskniff. Raffiniert auch, wie der Weg nach h6 eindeutig gemacht wird!

 
1.g4 d5 2.Lg2 d4 3.Lc6+ Sd7 4.Lb5 c6 5.f3 Da5 6.Kf2 Sb6 7.Kg3 Kd7 8.Kh4 g5+ 9.Kh5 Lg7 10.Sa3 Le5 11.Sc4 Sf6+ 12.Kh6 Ke6 13.Kg7 Sg8+ 14.Kf8 Lg7+ 15.Ke8 Lf8 16.Kd8 Ld7+ 17.Kc7 Td8 18.a3 Lc8 19.Kb8 Kd7 20.Se5+ Ke8 21.c4 Td6 22.Da4 Sd7+ 23.Ka8 Dd8 24.Da5 Sb8.
 

Das FIDE-Album (hier bekam das Stück übrigens verdiente 10,5 Punkte!) sind nicht nur der lange Königsmarsch und die Rückkehren, sondern auch die drei „indischen“ Verstellungen erwähnt – neben den bereits angesprochenen haben wir ja auch noch die temporäre Verstellung sTd8/sLc8/wKb8.

Interessant ist Satoshis Erläuterung zur Komposition dieses Stücks in seinem Buch „64 Proof Games“: You can see easily that the K enters the Black territory from h6 and goes all the way to a8. Accordingly, all the black pieces in between must go away for a while – that is the idea of this problem. I had this principle in my mind, but I did not know how to deal with it for some time. One day, I changed upon this entrance, and the rest came all at once. Sometimes composing can be so easy like that.

Doing it without captures was not what I intended from the beginning. I just did not need any captures to make it.

Eine meiner Lieblings-Beweispartien!

 

Retro der Woche 31/2013

Ich hatte hier im Blog schon den Retro-Preisbericht von Günther Weeth für das Jahr 2011 erwähnt. Heute möchte ich nun eine Aufgabe daraus vorstellen. Mir hat sie sehr gut gefallen, sie gewinnt einem alten Thema offensichtlich neue Aspekte ab – und ist soo schwer auch nicht zu lösen, wie ich meine.

Michel Caillaud & Nikolai Beluchow
Die Schwalbe 2011, 2. Preis
Erste Züge der Umwandlungsfiguren? (16+9)

Nanu, Umwandlungsfiguren? Es sind doch auf dem Brett keine zu sehen – und Weiß kann ja gar nicht umgewandelt haben, weil all seine acht Bauern auf dem Brett stehen. Also müssen wir nach schwarzen Umwandlungssteinen Ausschau halten.

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Retro der Woche 23/2013

Vor ein paar Tagen habe ich das Buch 64 Proof Games von Satoshi Hashimoto erhalten: Ein sehr schön gemachtes und interessantes Buch, das nicht nur durch seine besonders Aufmachung punktet: Die 64 Beweispartien werden chronologisch zunächst ohne Lösungen präsentiert, dann erfolgt auf einer ganzen Seite (mit wiederholtem Diagramm) die Lösung und Anmerkungen dazu sowohl auf japanisch als auch auf englisch. Er folgen einige Vergleichsaufgaben, genau so kommentiert, sowie zwei Aufsätze über klassische Retros von Michel Caillaud sowie über das Lösen von Beweispartien, letzterer stammt von Tadashi Wakashima.

Beziehen kann man das Buch (Preis: 20,– EUR) beispielsweise bei Ralf Krätschmar, dem Bücherwart der Schwalbe.

Aus dem Büchlein stelle ich die Nr. 63 vor — weil sie eine tolle Fortsetzung zum Retro der Woche 22/2013 bildet.

Satoshi Hashimoto
StrateGems 2011, 2. Preis
Beweispartie in 25 Zügen (14+15)

Zählen wir die weißen Züge, so sehen wir auf dem Brett bereits 22; darüber hinaus muss sich der fehlende weiße Turm auf d6 opfern, womit alle weißen Züge erschöpft sind.

Schwarz scheint jede Menge Züge übrig zu haben, jedoch fällt die Position der schwarzen Türme auf: Einer kam von a8 und hat dann den wBc2 zu Hause geschlagen (alle weißen Züge sind erschöpft!) und hat anschließend dieses Feld wieder geräumt, damit [wDd1] via h7 nach h8 gelangen kann.
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Retro der Woche 8/2013

Die Autoren des heutigen “Retro der Woche” sind den meisten sicher besonders als Studien-Verfassern bekannt; die Endspielspezialisten unter euch kennen bestimmt die bahnbrechenden Analysen von Troizkj zum Endspiel KSS-KB, aber beide haben auch Retros komponiert: Korolkow gelegentlich (in der PDB finden sich 45 Aufgaben von ihm), während Troizkj einer der ersten bedeutenden Retro-Komponisten überhaupt war: Er ist bereits mit 14 Aufgaben im 1915 von Dawson und Hundsdorfer herausgegebenen Buch “Retrograde Analysis” vertreten und hat auch später noch einige Retros gebaut.

Das Stück, das ich heute ausgesucht habe, ist recht leicht zu lösen, aber sehr hübsch.

Andrej Troizkj & Wladimir Korolkow
problem 1957, 1. Preis
Ist die Stellung legal? (9+12)

Offensichtlich ist der weiße König im Feindesland eingeklemmt; ihn gilt es herauszuholen. Dem steht aber der schwarze Turm auf f7 entgegen: Der muss erst nach draußen gebracht werden, bevor der König über h7 wieder ins Freie kommen kann. Ein sofortiges 1.– Tf8-f7 nebst Th8-f8 und Th-h8 funktioniert nicht, da Weiß dann keinen Retrozug hat. Geht aber etwa 1.– Kf8xSe8 ? Um das zu beantworten, schauen wir uns die Stellung genauer an:
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