PROBLEM-SCHACH-KUNST

Er hat es schon wieder getan …

Nicht zum ersten Male hat Schwalbe-Ehrenmitglied Werner Keym die anderen Mitglieder der Vereinigung überrascht und erfreut, als er ihnen anlässlich des 100. Schwalbe-Geburtstags sein neuestes Buch PROBLMEM-SCHACH-KUNST schenkte – „eine subjektive Anthologie“, wie er im Untertitel gleich erläutert.

Und damit können sich viele sicher in etwa vorstellen, welch Lesegenuss sie da vorfinden: Auf 140 Seiten gibt es 250 Aufgaben in bunter Vielfalt zu bestaunen, lösen, genießen, von immer wieder gern gesehenen Klassikern bis zu Exoten, bei denen häufig „Retro“, „Konstruktion“ und „Textaufgabe“ im Mittelpunkt stehen, wie der Autor sie mag.

Lese- und lösefreundlich sind die Diagramme und Lösungen stets auf einer Doppelseite platziert; wer aber nicht zu früh nach der Lösung schielen möchte, findet dem Buch beigelegt eine raffinierte „Selbst-Löse-Hilfe“ zum temporären Abdecken.

Zum „zwischendurch“ lösen zeige ich euch die höchst originelle Nr. 165 aus dem Buch; hier ist schon Nachdenken erforderlich:

Werner Keym
Stuttgarter Zeitung 2020
Matt in 2 Zügen b) Drehe um 180 Grad (6+1)

 

Wie immer besteht die „Selbst-Löse-Hilfe“ hier im Blog darin, dass ihr erst in einer Woche werdet spicken können!

 

Lösung

Die Lösung habe ich direkt aus dem Buch übernommen:
a) Schwarz kann zuletzt nicht gezogen haben und ist am Zug. Daher nicht 1.Tc4? K d3 2.Tf3#, sondern 1.K d4! Sf4 2.Ke3/Ke5 Lc5#/Lc3#.
b) Kein Bauer ist sichtbar, keine mögliche Umwandlungsfigur steht auf der 8. Reihe, keine asymmetrische König-Dame-Position vorhanden, keine Rochade möglich – worin bitte soll der Unterschied zur Stellung a) bestehen?
Tatsächlich existiert jetzt ein letzter schwarzer Zug: sKc6 Bd6 c5 d6 e.p.+ d7- d5 L-e4+. Daher nicht 1.K e5? Sc5 2.Kd4/Kd6 2.Lf6#/Lf4#, sondern 1.Tf5! K e6 2.Tc6#.
Auf dem Brett stehen nur Offiziere, aber der unsichtbare Bauer ist der Held.
Erst- und Letztform!

Ein Buch z.B. für das Nachtschränkchen, falls ihr keine Sorge um euren Schlaf habt, das nicht systematisch durchgearbeitet werden muss: Einfach aufschlagen, schmökern, sich festlesen! Das ist natürlich auch ein ideales Geschenk für Freunde, ein toller Preis im Vereinsturnier: Es kann direkt beim udo degener verlag (Mail: Udo-Degener(at)gmx.de) für 12 EUR bestellt werden – ins Ausland kommen noch Versandkosten von 3 EUR hinzu.

Übrigens gibt es auf der auch immer wieder besuchenswerten Websete von Ralf Binnewirtz eine Leseprobe des Buches.

Nachtrag: Das Buch kann nun auch als E-Book (pdf-Datei) kostenfrei von der Schwalbe-Seite heruntergeladen werden!

Aktuelles aus dem Internet

Wie immer pünktlich am ersten Tag eines neuen Quartals, letzte Woche also am Neujahrstag, ist die neue Ausgabe der spanischen Online-Zeitschrift Problemas erschienen. Problemas beschäftigt sich mit allen Bereichen des Problemschachs, die Artikel dort erscheinen überwiegend auf Englisch und Spanisch. Auch in dieser Ausgabe (Nummer 49) findet sich wieder ein höchst interessanter Beitrag von Andriy Frolkin über das uncooking von Beweispartien.

Kurz vor dem Jahreswechsel erschien die achte Ausgabe von The Hopper Magazine aus Singapur. Auch hier ist natürlich Englisch “Amtssprache”; gleich zwölf Artikel in dieser neuen Ausgabe, hauptsächlich “märchenhaft”, laden zum Studieren ein, darunter aber auch einer über “Zweckreinheit” in orthodoxen Mehrzügern, also eine klassisch Neudeutsche Fragestellung — bemerkenswert! Gerade für uns Retro-Fans ist erfreulich, dass sich gleich fünf(!) Artikel mit Retroanalyse beschäftigen, zwei zusätzliche mit Schachmathematik.

Beide Zeitschriften kann ich euch nur ans Herz legen — nicht nur diese Ausgaben, sondern ich empfehle euch einen regelmäßigen Blick auf diese Seiten!

Wiederholte Pronkins

Update 29.12.24: Kleiner Fehler in der Forderung der 2 korrigiert.

Wenn sich zwei Koryphäen wie Andriy Frolkin und Michel Caillaud zusammentun, um ein Thema zu erforschen, kann man hervorragende Ergebnisse erwarten. Und so auch hier:

Die beiden haben sich mit dem Pronkin-Thema beschäftigt: ein nicht allzu ungewöhnliches Thema — zumindest nicht in Beweispartien. Hier aber haben sie sich auf klassische Auflöse-Aufgaben konzentriert, und dabei auf die Darstellung des Themas so, dass der “Pronkin-Stein” sein Ursprungsfeld mehrfach betritt; dies ist auch in Beweispartien nicht allzu häufig zu sehen.

Auf dem Gebiet der klassischen Retroanalyse ist das Pronkin-Thema noch ziemlich wenig erforscht; irgendwann wurde beiden klar, dass das “intensivierte Pronkin-Thema” neue Horizonte öffnen könnte. Die Ergebnisse ihrer Untersuchungen stellen sie uns hier vor.

Andriy und Michel herzlichen Dank dafür — und euch allen viel Spaß beim lesen und studieren!

Retro der Woche 47/2024

Im letzten Retro der Woche hatte ich eine Aufgabe aus diesem Jahr vorgestellt — heute möchte ich genau 100 Jahre zurückspringen.

Bereits in ihrem dritten Heft im Oktober 1924 veröffentlichte Die Schwalbe einen mehr als zweiseitigen Artikel „Einführung in das Retroschach“ von Hans Klüver (4.3.1901–26.2.1989), den vielleicht der eine oder andere, der sich schon länger mit Problemschach befasst, noch von seinen Besuchen beim Andernach-Treffen und seinen dortigen Vorträgen oder Märchenturnieren persönlich kennt.

Allein das ist sicher bemerkenswert, aber auch die Länge des Beitrags, bedenkt man, dass das Heft damals einen Umfang von acht Seiten hatte.

Klüver war mit seinen 23 Jahren schon kein Problem- oder Retro-Greenhorn mehr; er hatte bereits verschiedene und bemerkenswerte Artikel zur Problemtheorie veröffentlicht, etwa seine Beiträge zur „Schnittpunkt-Systematik“ und zu „Schnittpunktphänomene in der retrograden Analyse“, ein 20-seitiger, immer noch lesenswerter Beitrag im Kongressbuch des Schachkongresses von Teplitz-Schönau 1922.

In seinem Schwalbe-Beitrag stellte er neben einem eigenen Urdruck die folgende kurz zuvor erschienene Aufgabe des Rumänen Léon Loewenton (6.1.1889–23.9.1963) vor, die didaktisch wegen ihrer Zwillingsbildung sicherlich gut für solch einen Artikel gewählt war.

Léon Loewenton
Chess Amateur 1924
a) Der weiße K hat gezogen, b) Der weiße K hat nicht gezogen. In welchem Falle kann Weiß in 2 Zügen matt setzen? (13+14)

 

In seinem Artikel geht Klüver speziell auf die Retro-spezifischen Rückzugsweisen: den Entschlag, die Entwandlung, den Entwechsel (so nannte er die Rücknahme der Rochade) und den Entkreuzschlag (Rücknahme eines Schlagens im Vorübergehen) ein.

Den folgenden Teil, in dem er die Lösung des Loewenton-Stücks vorbereitet, möchte ich wörtlich zitieren, ebenso wie seine Darstellung der Lösung, die ich aber wie üblich zunächst „verstecke“:

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Retro der Woche 34/2024

Der Australier Peter Wong ist ein extrem vielseitiger Komponist, wie schon ein kurzer Blick auf die Übersicht in der PDB zeigt: Mit allen Genres (!) ist er dort vertreten; sein Schwerpunkt liegt allerdings auf Hilfsmatts und Retros. Und bei den Retros liegt sein Schwerpunkt auf Beweispartien, die er übrigens „Helpgames“ nennt – eine wie ich finde höchst passende Beschreibung der „Beweispartien“ die in ihrer künstlerischen Form nicht mehr nur ein Beweismittel für die Legalität einer Stellung sind.

Bei den Beweispartien hat er Vorlieben für Aufgaben mit mehreren Lösungen, für Rochade-Paradoxien und für Tempospiel, das häufig ebenfalls recht paradox wirkt.

Peter Wong
Phénix 1997 Version
Beweispartie in 24 Zügen (14+13)

 

Bei Weiß fehlen [Lf1] und ein Springer, bei Schwarz ein Springer und drei Bauern, von denen einer in einen Turm umgewandelt hat. Weiß hat offenbar hxg und gxf geschlagen; der dritte fehlende schwarze Stein muss wegen der Bauernstruktur also von einem Offizier geschlagen worden sein.

Wenn wir versuchen, thematisch zu lösen, so kommen wir rasch auf den Gedanken, dass Weiß schnell den schwarzen König befreien konnte, sodass der rasch nach b5 kommt, wo er dann quasi den kompletten weißen Damenflügel lahmlegt, da [Sc3] nur mit Schachgebot sein Domizil verlassen könnte. Das legt einen Beginn mit 1.Sf3, 2.Se5, 3.Sxd7 Kxd7 nahe.

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Retro der Woche 28/2024

Vor zwei Wochen hatte ich euch hier den zweiten Preis aus dem allerersten Israel-Ring-Turnier für Beweispartien der Jahrgänge 2022 und 2023 vorgestellt, der im Heft 92 (April 2024) von Variantim veröffentlicht wurde. Nun möchte ich fortfahren mit dem dritten Preisträger; dieses Stück ist gleichzeitig das bestplatzierte orthodoxe.

Silvio Baier
Variantim 2022-2023, 3. Preis im IRT
Beweispartie in 29 Zügen (14+14)

 

Bei Silvio können wir ja von moderner und gleichzeitig origineller „Proofgame of the Future“ ausgehen: Also zwei Themen, die „irgendwie“ miteinander verknüpft und jeweils doppelt gesetzt sind. Der Begriff – siehe dazu das immer noch äußerst lesenswerte Sonderheft der SchwalbeFuture Proof Games – A challenging new concept“ von Silvio Baier, Nicolas Dupont und Roberto Osorio – ist abgeleitet von Chris. Feather’s „Helpmate of the Future“, der entsprechend für Hilfsmatts definiert ist.

Übrigens weckten die drei Autoren mit dem Untertitel Part one: Classical FPGs die Hoffnung auf einen märchenhaften zweiten Teil, die aber bisher (noch?) nicht erfüllt ist.

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StrateGems umgezogen

Die US-amerikanische Problemzeitung StrateGems, zwischen 1998 und 2022 von Mike Prcic herausgegeben und mit Ausgabe 100 eingestellt, zeichnete sich durch hohe Qualität aus, auch und gerade bei den Retros.

Nach dem Ende wurden alle Hefte sowie die extra erschienenen Preisberichte als pdf-Dateien online gestellt; dieses Netzarchiv ist nun umgezogen.Die neue Adresse könnte vielleicht für euch mal wieder Anlass sein, dort vorbeizuschauen?

Retro der Woche 17/2024

In der letzten Woche hatten wir hier eine Schach-960-Beweispartie von Per Olin studiert, heute möchte ich euch ein Gemeinschaftswerk von ihm mit Joaquim Crusats vorstellen, in der die beiden die Partieausgangsstellung verraten: Es ist die „normale“!

Joaqium Crusats & Per Olin
Die Schwalbe 2020 Werner Keym gewidmet, Lob
Beweispartie in 23,0 Zügen (14+15)

 

Betrachten wir erst einmal die fehlenden Steine: Insgesamt fehlen genau drei Läufer; dazu passen auch deren sichtbare Schlagfelder, die wir wegen der eindeutigen Felderfarben auch direkt den fehlenden Läufern zuordnen können: [Lc1] starb auf g5, [Lf1] auf c6 sowie [Lf8] auf h5. Damit kommen wir auf drei erforderliche Läuferzüge sowohl bei Schwarz als auch bei Weiß.

Dieses Wissen können wir direkt in die Zählung der sichtbaren Züge integrieren: Wir sehen bei Weiß 0+0+5+0+5+4=14 Züge, bei Schwarz 3+0+5+3+2+5=18 Züge; wir können aber noch jeweils drei Läuferzüge hinzurechnen, kommen also auf 17 bzw. 21 Züge.

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