2022

Allen Retrofreunden wünsche ich
ein gutes neues Jahr 2022!

Wie in den letzten Jahren möchte ich heute mit euch zusammen einen Blick in die Geschichte der Retroanalyse 100 Jahre zurück werfen.

In diesem Jahr ging der Stern eines Jung-Twens auf: Hans Klüver aus Hamburg (*4.3.1901). Große Aufmerksamkeit brachte sein monumentaler Aufsatz (20 Seiten, 40 Aufgaben) “Schnittpunktphänomene in der retrograden Analyse“ im ebenso monumentalen Kongressbuch des Turniers in Teplitz-Schönau im Oktober 1922 (664 Seiten, davon mehr als 200 (!) über Problemschach). Dies war der bis dahin bedeutendste deutschsprachige Beitrag zur Retroanalyse, und Klüver wandte sich besonders an die „Neudeutschen“, um deren Interesse für das rückläufige Spiel zu wecken — dazu waren natürlich Schnittpunkt-Themen besonders geeignet.

Aus dem Artikel möchte ich den Klüver’schen Originalbeitrag vorstellen und euch zum Lösen einladen — so schwer ist die Aufgabe nicht!

Hans Klüver
Schachkongress Teplitz-Schönau 1922
Weiß nimmt seinen letzten Zug zurück und setzt in zwei Zügen matt. (13+14)

 

In einer Woche werde ich hier die Lösungsangabe aus dem Kongressbuch zitieren.

Lösung

Aus dem Kongressbuch S. 483-484, zu Nr. 30:
Nr. 30 zeigt ein antikritisches Manöver im weiß-schwarzen Schnittpunktgefüge. Schwarz könnte zuletzt nicht gezogen haben, da g7-g6 den zu entschlagenden schwarzen Königsläufer aussperren und c7-c5 den Ld8 einsperren würde. Weiß muß also einen Zug zurücknehmen, der einen legalen schwarzen Retrozug ermöglicht. Ein Entschlag auf g4 (h3:Dg4) ist nicht angängig, da der Bg4 auf g3 den schwarzfeldrigen Läufer zu entschlagen hat, um nach dessen Bewegung nach f8 und der eines Turmes nach h8 g7-g6 nebst f6:Dh7 zu ermöglichen. Einzige Möglichkeit: 1.Lb6-d8! (antikritisch) c7-c5; 2.Kd4-d5! e6-e5+ 3.Sa2-b4 (Kc6-b7) oder 3.Lc5-b6 (Sb6-a8). Nach Rücknahme von Lb6-d8 kann Weiß dennoch mittels bc: ep+ dc:+ 2.Lc6# matt setzen.

Retro der Woche 21/2021

Nach dem klassischen Retro und der Märchenbeweispartie aus dem 2020er Jahrgang von Phénix (Retro der Woche 19/2021 und Retro der Woche 20/2021) habe ich von dort nun eine orthodoxe Beweispartie herausgesucht – meine generellen Anmerkungen aus der 19. Woche gelten auch hier wieder.

Thierry Le Gleuher
Phénix 2020
Beweispartie in 26 Zügen (12+16)

 

Das eigentliche Thema sieht man hier bereits beim Blick aufs Diagramm: die achte Reihe wird auf die vierte verschoben – ein hübscher optischer Effekt. Wir werden aber gleich sehen, dass zum Erreichen der Stellung auch noch ein paar versteckte Manöver erforderlich sind.

Zählen wir zunächst die sichtbaren Züge: Bei Weiß sind das 0+2+0+1+1+1=5 – gleich 21 Züge sind noch offen! Bei Schwarz kommen wir schon deutlich weiter:

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Yoav Ben-Zvi †

Und noch eine traurige Nachricht: Wie mir sein Sohn mitteilte, ist Yoav Ben-Zvi am Silvestertag 2020 im Alter von 63 Jahren (* 3.6.1957) in seiner Geburtsstadt Jerusalem verstorben. Er hinterlässt Frau und je einen Sohn und eine Tochter; meine herzliche Anteilnahme gilt seiner Familie.

Schon als junger Mann gründete er mit zwei Partnern ein Hightech-Unternehmen, von denen sie sich 2012 trennten. Dies war für ihn der Übergang zum Ruhestand, wo er seine alte Liebe zum Problemschach wiederentdeckte; seit 2012 war er auch Schwalbe-Mitglied.

Yoav war ein vielseitiger Komponist, seine Vorliebe galt allerdings der Retroanalyse, und hier folgte er bewusst nicht irgendwelchen Modethemen, sondern er präsentierte stets klassischen Inhalt mit strategischem Tiefgang in eleganter Form; seine Vorliebe galt allen Arten von Linienspiel, häufig verbunden mit orginellen Fragestellungen in den Forderungen.

Zu seinem Gedenken zeige ich eine sehr kurze, leicht zu lösende, aber sehr hübsche Beweispartie, die euch zum Lösen anregen sollte, daher verrate ich auch nichts zum Inhalt.

Yoav Ben-Zvi
The Problemist 2012, 5. Lob
Beweispartie in 10,5 Zügen (13+16)

 

Im Südwesten deutet sich bestimmt schon der Inhalt an?

 

Lösung

Yoav kommentierte selbst in der PDB:

The moves WRa1-a5 (crossing a4 for WQ) and BBc2-g6 (crossing f5 for BQ) are “Turton” clear-ances. The move Qd1-a4 (crossing b3 for WB) must precede WBd5-b3 so it is a third Turton (called a “Loyd-Turton” because the clearance is by the stronger piece). The first 2 moves of WPa2 (crossing a4 for the WQ) are an additional Turton. In all these cases the occupation of the critical square is delayed. The moves WQa4-a1 (crossing a2 for WR), BQf5xb1 (crossing c2 for BB) and WPa2-a4-a5-a6 (crossing a5 for WR) are impure “Bristol” clearances. The move WBb3-d1 (cross-ing c2 for BB) is “Anti-Critical”. The move BBg6-c2 is a Switchback. The Try 5.WBf1-h3? is refuted because of Anti-Bristol effect of WBh3-e6.