Retro der Woche 25/2023

Heute vollendet René J. Millour sein achtes Lebensjahrzehnt, und dazu gehen meine herzlichen Glückwünsche nach Frankreich!

René begeistert mich immer wieder mit großartigen Märchen-Retros, die meist im Diagramm völlig harmlos ausschauen, aber dann sehr eleganten Inhalt mit niemals erwartetem Tiefgang zeigen.

Solch ein Stück habe ich für heute ausgesucht, das ich etwas anders als üblich präsentieren werde: Ich zitiere im Wesentlichen aus dem Preisbericht von Hans Gruber, Uli Ring und mir — übrigens aus dem in der letzten Woche erwähnten Schwalbe-Heft 233.

René J. Millour
Die Schwalbe 2001, 1. Preis
Forderungen im Text, Monochromes Schach (6+8)

 

Gefragt ist nach
a) In welcher Reihenfolge wurden die Springer geschlagen?
b) Ist die schwarze O-O noch möglich?
c) Wie viele Züge hat der weiße König mindestens ausgeführt?
im monochromen Schach (Schwalbe-Lexikon: „Es sind nur Züge erlaubt und legal, deren Ausgangs- und Zielfeld von gleicher Farbe sind. Das gilt auch bei der Beurteilung von Matt und Patt.“)

Zunächst der Kommentar von uns drei Richtern, anschließend, nach dem „weiter“, die ausführliche Lösungsangabe, wie wir sie für den Preisbericht geschrieben hatten.

„Auch unter vielen komplexen Monochrom-Retros des Autors ist dieses Problem eines der Topstücke, vor allem, weil das extrem komplizierte Element `Wer zum Henker konnte Stein X schlagen?’ gleich mehrfach zelebriert wird. Die ökonomie-stiftende Wirkung der Monochrom-Bedingung wird ungeheuer gut genutzt, was sich vor allem in der atemberaubend geringen Steinzahl und im Fehlen jeglichen sichtbaren Bauernschlags im Diagramm zeigt. Die in der Konstruktion verborgenen Retro-Überlegungen sind tiefgründig und reichhaltig.“

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Retro der Woche 23/2023

Neben dem in der letzten Woche gezeigten ersten Preis des Andernach-2023-Kompositionsturniers gab es dort noch ein weiteres Retro, ausgezeichnet mit einer ehrenden Erwähnung. Meine Lösungsangabe orientiert sich stark an der im Andernach-Bulletin, stammt also wohl vom Autor und von Hans Gruber.

Dirk Borst
in memoriam Marco Bonavoglia Andernach 2023, Ehrende Erwähnung
Welche Schlagfälle stehen eindeutig fest? Monochromes Schach (6+9)

 

Ein paar Details können wir schon aus dem Diagramm wegen der „monochrom“ Bedingung ableiten: sSb1 und sTe1 sind Umwandlungssteine. Beide Seiten haben kurz rochiert. [Dd1] schlug [Sg8]. Weiß ist matt; die letzten Züge waren R 1.– Tc1xe1# 2.Kh2-g1 Lh4-g3+.

Beim monochromen Schach ist es häufig eine gute Lösungsidee, die weißen und schwarzen Schlagfälle auf den weißen und schwarzen Feldern zu eruieren. Das wollen wir hier auch machen; vor dem Klicken auf „weiter“ könnt ihr das ja schon einmal versuchen:

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Marco Bonavoglia 14.5.1953 — 5.12.2022

Eine ganz traurige Nachricht fand ich eben in Facebook: Marco Bonavoglia ist heute Morgen in seiner Heimatstadt Mailand verstorben.

Gern erinnere ich mich an seine früher regelmäßigen Besuche in Andernach: Ein sehr angenehmer Gesprächspartner weit über das Problemschach hinaus; an seiner sonoren Stimme konnte man ihn sofort erkennen.

(Nicht nur Problem-)Schachlich vielseitig interessiert galt seine Liebe stark den Retros, wo er besonders gern und erfolgreich Märchen-Beweispartien komponierte — natürlich ein ideales Beschäftigungsfeld gerade für Andernach. Ein wie ich finde sehr hübsches Beispiel mit doppelter Homebase möchte ich euch zu seinem Gedenken zeigen, euch einladen, selbst zu lösen: Schwer ist es nicht!

Marco Bonavoglia
eteroscacco 1996
Beweispartie in 6,5 Zügen, Monochromes Schach (15+12)

 

Das wurde übrigens zwölf Jahre später steingetreu in Mat Plus nachempfunden.

Natürlich gibt es die Lösung hier wieder in etwa einer Woche.

Lösung


Sehr zugökonomischer Pronkin!

Nikita Plaksin 90

Nikita Plaksin ist sicherlich einer der bekanntesten, produktivsten und besten Retro-Komponisten aller Zeiten; heute vollendet er sein 90. Lebensjahr — ihm ganz herzliche Glückwünsche zum Geburtstag!

Seit dem Jahr 2001 ist der Wasserbau-Ingenieur FIDE-Meister für Schachkomposition (16,5 Album-Punkte); bereits seit 1989 ist er Internationaler Preisrichter für Retros. Allein in der PDB sind von ihm 1520 Retros enthalten, von denen er fast 1150 in feenschach veröffentlicht hat. Das liegt vor allen Dingen daran, dass er sich intensiv mit “Märchen-Retros” beschäftigt hat, speziell mit Lastmovern-Ökonomierekorden, dies häufig gemeinsam mit Andrej Kornilow.

Besonders bekannt ist er aber für seine beinahe 100 Aufgaben mit Nutzung der 50-Züge-Regel, wonach ein Remis (bei Retros automatisch!) eintritt, wenn seit 50 Zügen kein Schlag oder Bauernzug stattgefunden hat — meist wird auch die Rochade als “die Regel unterbrechender Zug” hinzugezählt. 1979 hat Plaksin dazu in Problem einen bekannten Artikel 50×50 veröffentlicht, in dem er — ihr ahnt es — 50 eigene Aufgaben mit diesem Thema vorstellt. Sehr lesens- und studierenswert, aber nicht gerade “leichte Kost” wegen der doch recht lakonischen Lösungsangaben.

Als Beispiel möchte ich eine Aufgabe aus den Märchen-Lastmove-Untersuchungen zeigen, allein schon um zu demonstrieren, dass auch die Verwendung zweier Märchenarten nicht automatisch schwer zu lösende Stücke hervorbringen.

Nikita Plaksin & Andrej Kornilow
feenschach 12/1982
Letzter Zug? Circe, monochromes Schach (5+1)

 

Bei diesem Stück solltet ihr euch aber auch Gedanken zumindest über den vorletzten Zug machen. Die Lösung folgt an dieser Stelle traditionsgemäß in etwa einer Woche.

Lösung

Mit letztem Zug von Schwarz klappt es nicht: R 1.– Kb1-a2/Kb1xBa2 2.0-0+ Kc2-b1: Weiß hat keinen legalen letzten Zug.

Also R 1.0-0! Kb1xTa2!, und nun hat Weiß Tempozüge mit seinem Umwandlungsturm, und der schwarze König kann via c2-d1-e2-f3 nach draußen kommen.

Und warum ging nicht R 1.– Kb1-a2 2.0-0 Kc2xTb1? Weil der Turm als Umwandlungsstein (das Original steht ja auf h1!) wegen “monochrome” niemals auf die erste Reihe gelangen konnte!

Klein und unscheinbar, aber doch mit einigem Tiefgang!

Retro der Woche 22/2020

Am „Andernach-Sonntag“ kann, nein: muss ich sicherlich ein Märchen-Retro präsentieren?!

Und da bietet sich der (einzige) Preis aus dem Problemist Retro-Preisbericht 2017-2018 an; am letzten Sonntag hatte ich den ersten Preis der Beweispartie-Abteilung aus diesem Bericht vorgestellt.

Thierry Le Gleuher
The Problemist 2017-2018, 1. Preis
Wo wurde [Bc2] geschlagen? Monochromes Schach (5+6)

 

Beim monochromen Schach müssen alle Züge auf derselben Felderfarbe enden, wo sie gestartet sind. Ein Springer kann daher nie ziehen, ein Bauer nur per Doppelschritt oder schlagend vorwärts kommen. Mit sehr wenig Material lassen sich da interessante Retroschlüsse ziehen, und Thierry ist der ausgewiesene Spezialist für monochromes Schach. Ich orientiere mich bei der Lösungsangabe an denen aus dem Bericht von Preisrichter Cedric Lytton, der das Stück als „eines der tiefsten je komponierten Monochrom-Probleme“ bezeichnet.

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Retro der Woche 50/2018

Retros mit der Bedingung „monochromes Schach“ haben wir hier schon gelegentlich (z.B. Retro der Woche 22/2017 und 51/2017 angeschaut: Hier sind nur Züge legal, bei denen Start- und Zielfeld gleiche Farbe haben. Besondere Spezialisten für diesen Bedingungstyp in Retros sind René J. Millour, der die beiden zitierten Aufgaben gebaut hat, und Thierry Le Gleuher; von ihm möchte ich heute ein interessantes Stück vorstellen.

Thierry Le Gleuher
Phénix 2012, Trillon-Gedenkturnier, 4. Preis
h#1 Wo wurde [Dd1] geschlagen? Monochromes Schach (4+8)

 

Bei der folgenden Besprechung habe ich mich wesentlich auf die Lösungsangaben von Hans Gruber gestützt, die dieser für feenschach geschrieben hat.

Schauen wir zunächst nach dem Hilfsmatt: Hier ist nur 1. 0-0 Lc4# möglich – und damit wissen wir, dass [Ke8] und [Th8] noch nicht gezogen hatten.

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Retro der Woche 51/2017

Ich bin immer wieder erstaunt und begeistert, welch tiefe Retroanalysen in Aufgaben unter der Bedingung „monochromes Schach“ möglich sind. Wir erinnern uns: Hier sind nur Züge erlaubt, in denen Ausgangs- und Zielfeld eines Zuges dieselbe Farbe haben. Daraus leitet sich beispielsweise ab, dass Springer nicht ziehen können.

Ein großer Meister monochromer Retros ist René Jean Millour; ein Beispiel haben wir im Retro der Woche 22/2017 betrachtet. Auch das heutige Stück verblüfft wieder mit einer lockeren Stellung und ganz überraschenden Fragen, die dann eindeutig beantwortet werden können.

René J. Millour
Die Schwalbe 1991, H.H. Schmitz und M. Seidel gewidmet, 4. Preis
monochromes Schach: wo wurden sLc8 und wTh1 geschlagen? (3+8)

 

Bei der Darstellung des Lösungsweges orientiere ich mich stark an der Beschreibung des Autors in seinem Buch „Subtleties on 64 Squares“ (Editions FEE=NIX 2015 — wenn ihr noch ein Weihnachtsgeschenk für euch selbst sucht…).

Klar ist, dass alle vier Springer zu Hause geschlagen wurden; ebenso klar ist, dass beide Könige, um loszumarschieren, (kurz) rochieren mussten — die lange ist ja nicht möglich, da der Turm seine Feldfarbe ändern würde.

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Für zwischendurch (38)

Diagramm korrigiert!!

Habt ihr euch schon einmal mit „monochromem Schach“ beschäftigt? Dort sind nur Züge erlaubt und legal, deren Ausgangs- und Zielfeld von gleicher Farbe sind. Das gilt auch bei der Beurteilung von Matt und Patt. Damit ist z.B. die Stellung wKe1, sKe2 legal.

Diese Bedingung erlaubt unglaublich sparsame und gleichzeitig sehr tief gehende Retroanalysen, und mir macht sie sehr viel Spaß.

Ein einfaches Beispiel zum Hineindenken könnt ihr euch zwischendurch mal anschauen:

Raymond Smullyan
The Chess Mysteries of Sherlock Holmes 1979
Farbe des Bauern auf g3? Monochromes Schach (3+1+1)

 

So schwer dürfte das nicht sein — und wenn ihr monochromes Schach schon kennt, reicht wahrscheinlich ein Blick…