Retro der Woche 02/2025

Eine meiner Lieblings-Märchenbedingungen ist „monochromes Schach“: Weil einerseits die Bedingung quasi mit einem Satz erklärt werden kann („Es sind stets nur Züge erlaubt und legal, deren Ausgangs- und Zielfeld von gleicher Farbe sind; Rochaden gelten als Königs- und Turmzug.“), sie gleichzeitig aber unglaublich tiefsinnige Aufgaben erlaubt.

Gerade „monochrome Retros“ besitzen häufig in „einfacher“ Stellung unerwartete Tiefe, wie vor allem die Spezialisten Thierry Le Grleuher und René J. Millour schon vielfach gezeigt haben. Heute möchte ich ein solches Stück aus dem 2022er Retro-Preisbericht der Schwalbe vorstellen.

Thierry Le Gleuher
Die Schwalbe 2022, 2. ehrende Erwähnung
Wo wurde sTa8 geschlagen? Monochromes Schach (8+5)

 

Aus der Definition ergibt sich beispielsweise sofort, dass Springer nie ziehen können, dass eine lange Rochade niemals möglich ist, dass ein Bauer mindestens vier Schläge bis zur Umwandlung benötigt.

Auch für Türme können wir wichtige Aussagen treffen: Weiße Türme können nur auf ungerade, schwarze nur auf gerade Reihen ziehen, bei Umwandlungstürmen ist es genau anders herum. Wir können also im Diagramm für jeden Turm eindeutig entscheiden, ob er durch Umwandlung entstanden oder der Originalstein ist.

So fällt hier also sofort auf, dass wTg4 erwandelt wurde, was allein schon vier Bauernschläge auf weißen Feldern erfordert hat.

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Retro der Woche 49/2024

Nach dem Glückwunsch hier an Thierry Le Gleuher zu seinem Geburtstag am letzten Donnerstag möchte ich euch heute eine meiner Lieblings-Beweispartien überhaupt zeigen – ihr ahnt jetzt den Autor sicher schon?!

Bevor ich mit euch zusammen die Aufgabe genauer anschaue, will ich ausnahmsweise vorab das Thema verraten, das für das Turnier gefordert war: „Unsichtbarer Platzwechsel“. Ratet doch einmal, welche zwei Steine diesen Platzwechsel durchführen?

Thierry Le Gleuher
Lois-60-Geburtstagturnier 2007, 1. Preis
Beweispartie in 21 Zügen (14+15)

 

Bei Weiß fehlen die beiden Zentralbauern, bei Schwarz die Dame. Die Bauernstellung verrät recht wenig – sie sagt uns nur, dass auf c6 keiner der beiden fehlenden weißen Bauern geschlagen werden konnte: Wenn, könnte es sowieso nur [Bd2] gewesen sein, der hätte dxD auf der c-Linie spielen müssen. Aber da stand [Bd7] noch zu Hause, also konnte die Dame sich noch nicht „draußen“ opfern. Also muss mindestens ein weißer Bauer umgewandelt haben, um das Schlagopfer auf c6 zu ersetzen – das Phoenix-Thema haben wir also schon erkannt.

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Retro der Woche 44/2024

Die US-amerikanische Zeitschrift StrateGems, herausgegeben von Mike Prcic, musste nach 25 Jahren und exakt 100 Ausgaben zum Ende des Jahres 2022 eingestellt werden. Das war ein Riesenverlust gerade für und Retrofreunde, war die entsprechende Abteilung über die gesamten 25 unter den besten, die die Welt zu bieten hatte.

Aus dem letzten Informalturnier hatte ich bereits den ersten Preis von Silvio Baier bei den orthodoxen Beweispartien vorgestellt; heute möchte ich mit euch das zweitplatzierte Stück betrachten.

Michel Caillaud
StrateGems 2022 – Ein Dankeschön an Mike Prcic, 2. Preis
Beweispartie in 30 Zügen (15+15)

 

Leicht zu sehen, dass bei Weiß genau ein Turm fehlt; die schwarze Bauernstellung verrät aber nichts über ein mögliches Schlagfeld. Bei Schwarz fehlt im Diagramm ein Bauer: Entweder wurde [Bf7] auf f3 geschlagen — dann starb der weiße Turn irgendwo auch der f-Linie, vom [Bg7] geschlagen, oder ein Offizier hat sich auf f3 geopfert und [Bg7] den durch Umwandlung ersetzt. In diesem Fall können wir wieder noch nichts über das Sterbefeld des weißen Turms aussagen.

Versuchen wir einmal, die schwarzen Züge zu zählen: Dabei kommen wir auf 3+2+5+8+5+5=28. Bei König und den Türmen bin ich von der langen Rochade ausgegangen: Egal, welcher Turm auf c7, welcher auf h3 steht, beide brauchten zwei bzw. drei Züge dorthin — nach c7 unabhängig davon, ob lang rochiert wurde oder nicht. Die Rochade allerdings spart einen schwarzen Königszug.

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Retro der Woche 11/2024

Dass 橋本, 哲 einer meiner Lieblingsautoren von Beweispartien ist, wissen die regelmäßigen Leser dieses Blogs sicher – zumindest, wenn ich den Namen lateinisch notiere: Satoshi Hashimoto (* 24. März 1957). Mit seinem abwechslungsreichen, strategischen Stil macht er mir immer wieder Freude. Eines dieser „tollen Dinger“, wie ich finde, das nun schon 25 Jahre alt ist und noch immer jung und frisch wirkt, möchte ich euch heute zeigen.

Satoshi Hashimoto
Probleemblad 1999, 3. Preis
Beweispartie in 23 Zügen (14+15)

 

Schnell bemerken wir sicher, dass das Zählen der im Diagramm sichtbaren Züge allein nicht allzu ergiebig ist: Bei Weiß sehen wir 0+2+0+4+1+2=9, bei Schwarz 0+0+0+0+5+3=8, wobei wir immerhin bemerken können, dass die fünf Springerzüge alle vom [Sb8] oder zwischen den beiden Springern aufgeteilt erfolgen konnten. Aber wie haben Weiß und Schwarz die übrige Zeit verbracht? Da hilft uns sicherlich die Analyse der fehlenden Steine.

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Retro der Woche 04/2024

Am letzten Sonntag habe ich hier den dritten Preis der „klassischen Retros“ im Schwalbe Informalturnier 2003 gezeigt. Gern möchte ich bei diesem Bericht noch bleiben: Heute steht der erste Preisträger der Beweispartien auf dem Programm. Um die Spannung ein wenig zu steigern: Diese Aufgabe ist mit 11 Punkten ins FIDE-Album gelangt – hier könnt ihr also eine Menge erwarten!

Gerd Wilts
Die Schwalbe 2003, Michel Caillaud gewidmet, 1. Preis
Beweispartie in 23,5 Zügen (13+16)

 

Schwarz hat noch alle Mann an Bord, während bei Weiß drei Steine fehlen: [Ba2], [Bg2] und[Lc1]. Das lässt viel Spielraum übrig. Erschreckend auch die Feststellung, dass nur drei weiße Züge sichtbar sind. Bei Schwarz schaut es schon optisch deutlich besser aus, bevor wir aber sinnvoll Züge zählen können, müssen wir ein paar Überlegungen anstellen.

So muss [Sg8] den [Th8] herausgelassen haben, sodass wir zumindest fünf Springerzüge erwarten müssen. Natürlich scheint Ba7-a5 am Zug-sparsamsten zu sein, das ist hier aber nicht der Fall:

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Retro der Woche 48/2023

Einer meiner Lieblings-Beweispartiekomponisten ist der Japaner Satoshi Hashimoto (Jahrgang 1957): Er ist mit seinen Lösungen immer wieder für Überraschungen gut; sehr versteckt zeigt er stets interessante Inhalte und Strategie. Wenn ihr euch einen schönen Beweispartie-Abend machen wollt, spielt einfach seine Aufgaben hier im Blog durch — aber nehmt euch vorher ein wenig Zeit, um zumindest erste Analysen zur Stellung anzustellen, eine begründete Vermutung über die Thematik und Lösungsstrategie aufzustellen.

Satoshi Hashimoto
Die Schwalbe 2001, 3. ehrende Erwähnung
Beweispartie in 18 Zügen (13+16)

 

Nur zwei schwarze Züge sind im Diagramm zu sehen, und auch bei Weiß sind es nicht annähernd genug, um die geforderte Zügezahl zu erreichen; hier sehen wir 2+2+0+3+1+1=9 — gerade einmal die Hälfte der gespielten Züge! Wie können wir uns trotzdem der Lösung nähern?

Da schauen wir uns zunächst an, welche weißen Steine denn fehlen Das sind die drei Bauern [Bc2], [Bf2] und [Bg2]. Weiß konnte selbst nicht schlagen, da Schwarz noch “alle Mann an Bord” hat, gleichzeitig gab es zwei Bauernschläge durch Schwarz. Daraus können wir schon eine Menge Schlussfolgerungen ziehen:
Es ist leicht zu sehen, dass [Bf2] auf f6 geschlagen wurde. Ebenso sehen wir schnell ein, dass [Bc2] auf der c-Linie sterben musste. Wie konnte aber [Bg2] verschwinden?

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Retro der Woche 31/2023

Bleiben wir in dieser und den kommenden Wochen noch bei feenschach-Retrobeispielen aus der Zeit der Jahrtausendwende.

feenschach ist dafür bekannt, dass dort auch orthodoxe, aber unkonventionelle Aufgaben gut erscheinen können — „nur“ Märchenschach ist dort trotz des Namens gar nicht erforderlich.

Hier stellt uns Michel Caillaud eine Aufgabe mit sehr ungewöhnlicher Zwillingsbildung vor: Üblich ist ja, entweder mehr als eine Lösung für die gleiche Stellung ohne Änderungen zu fordern, und der Unterschied liegt dann meist schon im ersten Zug — oder halt eine Stellungsänderung.

Michel Caillaud
feenschach 2000
Beweispartie in 15 Zügen, zwei Varianten im 5. weißen Zug (14+14)

 

In dieser Aufgabe haben wir nun den Fall, dass die ersten vier Züge völlig identisch sind, dann quasi zwei Varianten entstehen. In einer Notation, die sich hauptsächlich für Hilfsmatts, aber auch allgemein fürs Hilfsspiel durchgesetzt hat, würde man notieren: 1.1;1.1;1.1;1.1;2.1;1…

Damit wird für jede „Zählstelle“ der einzelnen Züge angegeben, wie viele verschiedene vorgesehen sind: Hier sind es im 5. weißen Zug zwei mögliche, und danach geht es dann eindeutig weiter, das Spiel verzweigt sich dort also.

Interessant wird dann zu beobachten sein, wie sich die beiden Varianten zueinander verhalten, ob es inhaltliche oder formale Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschiede gibt. Bei Beweispartie-Mehrlingen lässt es sich ja generell nicht vermeiden, dass eine Menge Züge in den Varianten gleich sind. Hier ist das etwa für den Weg des schwarzen Königs und auch des weißen Springers zu erwarten.

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Retro der Woche 24/2023

Wer sich über den Stand der Retroanalyse vor etwa 25 Jahren informieren möchte, dem lege ich die Schwalbe-Hefe 232 und 233 (August bzw. Oktober 2008) ans Herz: Dort hatte das Richter-Trio Brand, Gruber und Ring als Ersatz für die ursprünglich nominierten Richter die noch fehlenden Berichte für die Urdruck-Jahrgänge 1999 – 2001 übernommen.

Auffällig ist, dass zu der Zeit „klassische Retros“ den Ton angaben, dass bei den Beweispartien eindeutig Satoshi Hashimoto dominierte. Seinen 1. Preis und die 2. ehrende Erwähnung 2000 hatte ich bereits in den Retros der Woche 03/2020 und 35/2020 vorgestellt. Heute nun sein 4. Preis aus dem 2001er Turnier — wieder die bestplatzierte Beweispartie.

Satoshi Hashimoto
Die Schwalbe 2001, 4. Preis
Beweispartie in 17,5 Zügen (14+15)

 

Das übliche Zählen der sichtbaren Züge führt hier wahrscheinlich zunächst einmal zu Frust, wir wollen es aber trotzdem einmal machen: 0+0+0+0+3+3=6 bei Weiß, 3+2+0+2+1+3=11 bei Schwarz. Ganz so dramatisch ist es vielleicht nicht, weil ja auch noch die weiße Dame und ein Turm geschlagen werden müssen. Zumindest an der Bauernstruktur sieht man aber nicht, wo sie geschlagen worden sein können — vielleicht [Th1] zuhause im Südosten?

Bei Schwarz fehlt nur ein Bauer. Der konnte sich allerdings nicht direkt auf f3, dem sichtbaren Schlagfeld, opfern; er musste also umwandeln, um sich dann selbst auf f3 a la Ceriani-Frolkin zu opfern oder den dortigen Opferstein als Phönix zu ersetzen.

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