Retro der Woche 09/2017

Feedback zu seinen Urteilen sollte jedem Preisrichter wichtig sein: Nur so kann er seine Wertungen und Reihungen selbst kritisch betrachten und womöglich hinterfragen.

Solch eine Feedback-Runde zur Diskussion der vorläufigen Bewertungen für das FIDE-Album führe ich gerade als Direktor der Retro-Abteilung mit den Richtern – nicht um die Einzelurteile anzugleichen, sondern damit wir alle die zum Teil deutlichen Abweichungen in der Bewertung gegenseitig verstehen: Jeder Richter muss natürlich zu seiner „Bepunktung“ stehen, muss sie verantworten!

Von einer anderen Art des Feedbacks berichtet in der aktuellen Schwalbe Bernd Gräfrath: Dort stellt er in seinem höchst lesenswerten Aufsatz „Nachtgedanken eines Preisrichters“ sechs Aufgaben vor, die er als Preisrichter nicht oder relativ niedrig ausgezeichnet hat, die dann aber ins FIDE-Album gelangten.

Schauen wir uns eines seiner Beispiele heute einmal an.

Nicolas Dupont & Michel Caillaud
Probleemblad 2005
Beweispartie in 20 Zügen (13+12)

 

Mit dem Zählen der sichtbaren schwarzen Züge sind wir sehr schnell fertig – wenn alle vorhandenen Steine auf ihren möglichen Ursprungsfeldern stehen, wir also eine Homebase-Position vor uns haben, ist die Summe halt stets null.

Bei Weiß schaut es anders aus: 4+3+2+4+3+4=20: Alle weißen Züge sind erklärt, auch wenn damit noch nicht alles eindeutig ist: Zum Bespiel wissen wir nur, dass der König in der minimalen Zügezahl nach g5 gelangt sein muss, aber noch nicht, auf welchem Wege.

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Retro der Woche 41/2016

Im Hilfsmatt hat sich spätestens nach dem zweiten Weltkrieg die Tendenz gefestigt, dass zumindest kürzere Aufgaben (heute sicherlich bis mindestens vier Züge) mehr als eine Lösung haben; typischerweise sind diese Lösungen irgendwie thematisch miteinander verwoben.

Bei Beweispartien hat sich dies ähnlich wie bei klassischen Auflöse-Aufgaben, die ja beide die Kooperation von Weiß und Schwarz nutzen und damit dem Hilfs-Vorwärtsspiel „bis auf die Richtung“ ähneln, bisher kaum durchgesetzt.

Das liegt nicht nur daran, dass es offensichtlich sehr schwierig ist, beispielsweise solche Beweispartien zu bauen, sondern auch an einem inhärenten Problem, dass nämlich quasi „automatisch“ viele Züge in den Lösungen identisch sind: Schließlich müssen ja alle Steine die Diagrammstellung erreichen. Das ist im Vorwärts-Spiel einfacher zu vermeiden, da ja dort die Mehrspänner nur die Startposition (Diagramm) teilen, entsprechende Retros aber immer Start- und Endstellung.

Dennoch gibt es immer wieder attraktive Mehrspänner auch bei Beweispartien; einen möchte ich euch heute vorstellen.

Mark Kirtley
StrateGems 2016
Beweispartie in 11,5 Zügen, 2 Lösungen (9+13)

 

Insgesamt fehlen nach jeweils 23 Halbzügen insgesamt zehn Steine – das ist eine ganze Menge, und das erschwert auch die Lösung ganz erheblich. Dennoch bietet auch diese Stellung natürlich einige Anhaltspunkte für die Lösung.

Die Anzahl der sichtbaren Züge hilft nicht sehr viel weiter: 0+0+2+0+0+2=4 bei Weiß; bei Schwarz ist gar nur ein einziger Zug sichtbar.

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Retro der Woche 22/2016

Ziemlich unscheinbar kommt das Diagramm unseres heutigen „Retro der Woche“ im ersten Moment daher, und doch werden wir einige subtile Manöver bewundern können.

Satoshi Hashimoto
Probleemblad 2002, 2. Preis
Beweispartie in 19 Zügen (14+15)

 

Das Zählen der offensichtlichen weißen Züge bringt uns offensichtlich noch nicht weiter; nützlicher ist es, die sichtbaren, minimal erforderlichen schwarzen Züge zu zählen. Dort kommen wir auf 2+2+6+3+2+3=18; ein schwarzer Zug ist damit noch frei. Hierbei haben wir schon vorausgesetzt, dass Schwarz zunächst f5, dann exf6 spielt, denn anders würde es einen weiteren Zug erfordern.

Sagt uns dieser schwarze Doppelbauer auf der f-Linie etwas?

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Für zwischendurch (18)

Auch kurze Beweispartien können eine Menge Inhalt bieten, wie man an dem heutigen Beispiel sieht: Aus dem Grunde lasse ich auch die Themenangaben erst einmal weg; die werde ich in ein paar Tagen nachtragen — so könnt ihr bei dem angekündigten schlechten Pfingstwetter ein wenig lösen!

Joost de Heer
Messigny 2005
Beweispartie in 7 Zügen (15+14)

 

Viel Spaß!

Nachtrag 21.5.2016:
Habt ihr die Themenvielfalt sofort erkannt? Viel mehr Inhalt kann man in nur sieben Zügen kaum erwarten!

Retro der Woche 04/2016

Der Preisbericht zum Zdravko-Maslar-80-Turnier, der gerade in feenschach 216 veröffentlicht worden ist, war durch eine Fehlerkette beeinträchtigt worden, die nun nachträglich durch Korrektur des Berichts geheilt werden konnte: Die Preisrichter hatten eine verbesserte Fassung eines bereits früh eingesandten Problems übersehen und damit die simplere Fassung berücksichtigt; mir als Turnierleiter war das im Nachhinein auch beim Setzen des Preisberichtes nicht aufgefallen: sehr ärgerlich!

Die nun wirklich ausgezeichnete Aufgabe ist wirklich ausgezeichnet …

Alexander Semenenko & Andrej Frolkin
Zdravko-Maslar-80 Turnier 2015, 1. Preis e.ae.
Beweispartie in 20,0 Zügen (13+12)

 

Sofort sieht man zwei schwarze Umwandlungssteine auf dem Brett, unter deren Berücksichtigung können wir schnell die schwarzen sichtbaren Züge sehen: Gehen wir davon aus, dass sDb6 und sTg7 („zugärmste“ Möglichkeiten) durch Umwandlung entstanden sind, so haben die beiden zusammen 12 Züge verbraucht; die Umwandlungen beider Steine müssen dann auf g1 erfolgt sein. Ansonsten sieht man noch 1+0+0+0+2+3=6, also zusammen 18 Züge. Bei Weiß sieht man zunächst nur 2+0+3+0+1+2=8 Züge.

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Retro der Woche 43/2015

Das Ceriani-Frolkin-Thema, also der Schlag einer Umwandlungsfigur, ist zur Zeit eines der beliebtesten Themen in Beweispartien. Aber schon der erste Name in der Themenbezeichnung lässt vermuten, dass dies ursprünglich ein Thema der „klassischen Retroanalyse“ ist.

Und richtig, schon Luigi Ceriani hat sich in den fünfziger und sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts intensiv mit Doppelsetzungen von geschlagenen Umwandlungssteinen beschäftigt — meist einer Farbe.

Um das Ende des letzten Jahrtausends herum hat sich Alexander Kisljak intensiv mit gemischtfarbigen Ceriani-Frolkin-Umwandlungen beschäftigt und in einem Aufsatz in Die Schwalbe 199, Februar 2003, S. 22-24, eine Übersicht über sämtliche Kombinationsmöglichkeiten (wenn man dabei nicht nach Farben unterscheidet, was ich aber bei Auflöse-Aufgaben für nicht so sinnvoll hielte) gegeben; ein Stück aus dieser Serie, das mit besonders gut gefällt, möchte ich daraus vorstellen.

Alexander Kisljak
Phénix 2000
Letzte 32 Einzelzüge? (14+12)

Beginnen wir wie üblich mit der Inventur der Stellung: Bei Schwarz fehlen vier Steine; drei davon wurden durch weiße Bauern geschlagen (g:f3, d:e und c:d), darüber hinaus kann das Schachgebot gegen den schwarzen König nur durch einen Schlag im letzten Zug erklärt werden, und damit sind alle fehlenden schwarzen Steine erklärt.

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Retro der Woche 42/2015

„Proof Games of the Future“, also Beweispartien, in denen mindestens zwei Themen mindestens doppelt gesetzt sind, sind in den letzten Jahren der große Renner, solche Aufgaben landen sehr oft auf den führenden Rängen der Preisberichte renommierter Retrospalten.

Aber vielleicht gerade deshalb freue ich mich über Abwechslung, über hervorragende Beweispartien, die nicht in dieses Grundschema fallen, die aber trotzdem exquisiten Inhalt zeigen.

Ein solches Stück ist die Aufgabe, die ich heute ausgesucht habe.

Eric Pichouron
StrateGems 2011, 2. ehrende Erwähnung
Beweispartie in 20,0 Zügen (13+12)

 

Bei Schwarz sind wir sehr schnell mit dem Zählen der sichtbaren Züge fertig; bei Weiß lohnt sich die Mühe eher.

Dort kommen wir auf 4+0+4+2+4+7=21 — doch das kann nicht sein, da die Stellung in 20 Zügen erspielt werden muss.

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Retro der Woche 11/2015

Wenn es eines Beweises bedarf, dass Retro-Aufgaben nicht unbedingt eine „Forderung“ im klassischen Problemsinne benötigen, dann ist das Stück, das ich heute vorstellen möchte, ein hervorragendes Beispiel. (Bei der Lösungsbeschreibung stütze ich mich auf Anmerkungen von Andrej Kornilow und Henrik Juel.)

Harry Goldsteen
Probleemblad 1989, nach Andrej Frolkin, Superpreis
#1 (4+14)

 

Natürlich ist Weiß am Zug, da sein König im Schach steht, und das (sogar dualisitische) Matt mittels 1. exf8=D/T# lockt nun wirklich niemanden hinter dem Ofen hervor — aber darum geht es natürlich gar nicht.

Die spannende Frage ist natürlich, wie denn der Retroknoten im Norden aufgelöst werden kann, wie die weißen Steine denn wieder nach Süden gelangen können. Schwarz muss im letzten Zug natürlich den Springer von h7 nach f8 gezogen haben: Dabei kann er keinen weißen Stein geschlagen haben, da dies sofort zum Retropatt führt, da Weiß nun nur R 2.Le8xTf7 hat, und schon ist es vorbei.

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