Retro der Woche 16/2015

Am letzten Donnerstag hatte ich kurz auf das (noch vorläufiige) Ergebnis der Retroabteilung des 4. FIDE World Cup hingewiesen: Wieder einmal hat Silvio Baier ein bedeutendes Retro-Turnier gewinnen können!

Die Sieger-Aufgabe möchte ich heute vorstellen, aber dabei einmal nicht so intensiv wie sonst meist den möglichen Weg zur Lösungsfindung erläutern, sondern mehr die Lösung als solche diskutieren.

Hier also nun das ausgezeichnete Meisterwerk:

Silvio Baier
4. FIDE World Cup 2015, 1. Platz
Beweispartie in 32.5 Zügen (14+14)

 

Man erkennt recht schnell, dass die fehlenden Bauern nicht direkt geschlagen worden sein können; da das ganze Offizierskorps noch vorhanden ist, müssen sich die jeweils zwei fehlenden Bauern umgewandelt haben.

So weit, so gut — und bei dem Autor nicht sonderlich überraschend: Wie können schon einmal ein „Proof Game of the Future“ vermuten, wo also zwei doppelt gesetzte Themen dargestellt werden.

Die Inventur lässt allerdings noch einige freie Züge zu, wenn wir die sichtbaren zählen: 1+0+6+2+2+3=14 bei Weiß, 2+0+5+2+2+4=15 bei Schwarz. Dann kann man noch vermuten, dass zumindest die Springer auf b1 und b8 gezogen haben müssen, um ihre westlichen Kameraden heraus zu lassen. Bei den benachbarten Läufern ist dies nicht so klar: sie können ja auch Umwandlungssteine sein, die die Original-Läuer ersetzen. Bei den Springern ist dies wegen der hohen erforderlichen Zügezahl deutlich unwahrscheinlicher.

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Retro der Woche 14/2015

Bereits vor einigen Wochen hatte ich hier eine Beweispartie des Australiers Peter Wong vorgestellt, in der es um Tempospiel geht. Wer nun vermutet, dies sei ein Thema, das Peter gern bearbeitet, so liegt der ziemlich richtig.

Drum heute ein weiteres Beispiel aus dieser Rubrik — mit diesem Hinweis und da das Stück nicht allzu lang ist, solltet ihr es unbedingt selbst lösen, falls ihr es noch nicht kennt.

Peter Wong
British Chess Magazine 1996, 2.-6. Platz
Beweispartie in 15,5 Zügen (15+13)

 

Das Zählen der im Diagramm sichtbaren Züge (0+0+2+0+2+2=6 bei Weiß, 1+0+0+0+4+4=9 bei Schwarz) hilft uns noch nicht viel weiter, aber schauen wir uns einmal an, welche Steine fehlen.

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Retro der Woche 12/2015

Heute möchte ich nicht nur eine tolle Aufgabe vorstellen, sondern auch noch einen Vergleich mit einem anderen Stück anstellen, das der Autor direkt bei seinem Urdruck als Basis benannt hatte. Dennoch vergab Preisrichter Gerd Wilts für dieses — wie man deswegen zunächst meinen sollte nicht allzu originelle — Problem den ersten Preis im Informalturnier einer weltweit sehr angesehenen Retro-Rubrik.

Silvio Baier
StrateGems 2010, nach Michel Caillaud, 1. Preis
Beweispartie in 28,5 Zügen (15+11)

 

Offensichtliche Züge oder Schlagfälle durch Schwarz zu zählen ist schnell erledigt und nicht ergiebig, darum kümmern wir uns zunächst um die Züge der weißen Steine. Sofort fallen im Diagramm die drei schwarzfeldrigen weißen Läufer auf: Zwei Umwandlungen haben wir also schon erkannt.

Zählen wir nun die offensichtlichen Züge von Weiß; dabei lassen wir zunächst die schwarzfeldrigen weißen Läufer außer Betracht. Damit sehen wir 3+1+4+1+4+3=16 Züge, dies impliziert bereits den Doppelschritt des wBd4. Somit bleiben noch 13 Züge für die schwarzfeldrigen weißen Läufer.

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Retro der Woche 03/2015

Retro der Woche 03/2015 für 11.1.15

Interessant ist es, den Retro-Preisbericht der Schwalbe (Oktober 2006, von Ersatzrichter Ronald Schäfer) zu lesen: Er geht dabei u.a. auf die Weiterentwicklung der Retroanalyse in diesen zehn Jahren ein: Damals lag der Anteil der Beweispartien am Gesamtturnier noch deutlich unter 20% (10 von 56 Aufgaben); das war 2006 schon völlig anders. Ronalds Vermutung war, dass der Aufschwung der Beweispartien auch auf die Verfügbarkeit von Löseprogrammen wie natch und euclide zurückzuführen sei: vorher galten Beweispartien als chronisch nebenlösig.

Ich möchte heute den ersten Preis der Beweispartien-Abteilung vorstellen, der auch heute noch in Turnieren eine gute Figur machen würde.

Andrej Frolkin
Die Schwalbe 1996, 1. Preis
Beweispartie in 23,5 Zügen (14+13)

 

Zählen wir die direkt im Diagramm sichtbaren Züge, kommen wir nicht viel weiter: Bei Weiß sind das 0+2+2+1+3+2=10, bei Schwarz sind es 3+2+2+1+1+5=14 – dabei habe ich schon berücksichtigt, dass [Dd8] gezogen haben muss, um [Ke8] vorbei zu lassen. Aber vielleicht hilft ja die harmlos ausschauende Bauernstruktur weiter?

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Retro der Woche 01/2015

Bei den traditionellen Problemschachtreffen im französischen Messigny (nördlich von Dijon) steht auch immer ein Retro-Kompositionsturnier auf dem Programm. Ähnlich wie bei den Turnieren in Andernach oder bei den WCCC Treffen bin ich immer wieder über die hohe Qualität der Aufgaben, die bei solchen Treffen entstehen, erstaunt.

Leicht und locker schaut das Siegerstück des Messigny-Turniers 2013 aus. Thema war der Volet-Bauer; benannt nach dem Thema des Thomas-Volet-50 Turniers: Ein Bauer schlägt mindestens fünf Mal auf der gleichen Diagonale.

Michel Caillaud
Messigny 2013, 1. Preis
Für welche Steine steht das Schlagfeld fest? (8+9)

 

Betrachtet man die weißen Bauernschläge, so sieht man sofort, dass wBa7 ein solcher Volet-Bauer ist: Er kann nur von f2 kommen, da [Bc2] offensichtlich nach b3 geschlagen hat.

Der hilft aber zunächst nicht bei der Beantwortung der gestellten Frage. Andererseits ist die Stellung des wK auf h7 sehr auffällig: Er kann ja nur über die a-Linie und b7 ins schwarze Lager eingedrungen sein. Vielleicht hat er dann den sBh7 zu Hause geschlagen?

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Quartz 40

Vor einigen Tagen ist die 40. Ausgabe von Quartz zum Download bereitgestellt worden. Neben Hilfsmatt- und Märchen-Preisberichten findet sich darin eine größere Übersicht von „some astonishing proof games“, zusammengestellt von Paul Raican.

Darin berichtet er u.a. vom Weihnachtsturnier 2007/2008 von France-Echecs, das Beweispartien mit der Märchenbedingung Lortap forderte. Die Bedingung ist leicht zu definieren: Ein Stein kann nur schlagen, wenn er nicht von Steinen seiner Farbe beobachtet ist. (Das ist sozusagen Anti-Patrol-Schach, und daraus ergibt sich auch der Name.)

Den ersten Preis möchte ich euch vorstellen und zum Studieren empfehlen.

Michel Caillaud & Nicolas Dupont
France-Echecs Weihnachtsturnier I/2008 , 1. Preis
Beweispartie in 20 Zügen, Lortap (13+15)

 

Schwarz hat im Diagramm beinahe seine Partieausgangsstellung – und genau die Abweichung davon ist thematisch, denn wie kann unter der Lortap-Bedingung der Schag e7:Xf6 erfolgt sein? Dafür müssen die Steine auf d8 bis g8 verschwunden sein, denn sie decken alle e7 und verhindern damit diesen Schlag – also ein „Kampf gegen die Bedingung“, die hier offensichtlich nicht der Konstruktionserleichterung dient, sondern im Gegenteil das Lösungsgeschehen komplett bestimmt.

Man erkennt schnell, dass [sLf8] zu Hause geschlagen worden sein muss, denn er kann sich allein nicht der Beobachtung von e7 entziehen – wir wissen also schon, dass auf f8 ein Pronkin-Läufer, entstanden aus [sBh7], steht. Die drei anderen Steine müssen weg und wieder zurück gezogen haben.

Damit steht für das schwarze Spiel schon eine Menge fest; das weiße ist, wie bei zwei so exzellenten Verfassern nicht anders zu erwarten, auch sehr trickreich. Oder hättet ihr auch bei Weiß sofort eine Rückkehr und einen Geschwister-Stein vermutet?

1.d3 h5 2.Dd2 h4 3.Dh6 h3 4.Dh7 Sh6 5.Dg8 hxg2 6.Dxf8+ Txf8 7.h4 Th8 8.Th3 Kf8 9.Tf3 Kg8 10.Tf6 Kh7 11.f4 Dg8 12.Sf3 g1=L 13.Lh3 exf6 14.Lg4 Lc5 15.Le3 Dd8 16.Sbd2 Kg8 17.OOO Kf8 18.Th1 Ke8 19.Sg1 Lf8 20.Lc5 Sg8.

Eine tolle Demonstration der Möglichkeiten dieser Märchenbedingung, wie ich finde!

Retro der Woche 30/2014

Und weiter geht es mit dem Pronkin-Thema: Heute stelle ich euch die erste einfarbige Vierfachdarstellung dieses Themas in einer eindeutigen Beweispartie vor.

Ihr erinnert euch? Im Retro der Woche 27/2014 war es eine nun schon eigentlich 25 Jahre alte Dreifachsetzung des Themas, im folgenden Retro der Woche 28/2014 die erste, nun fünf Jahre alte einfarbige Pronkin-Allumwandlung.

Quasi ein Zwischenglied ist das heutige Stück, bei der – wen wundert es?? – der Springer zur Allumwandlung fehlt und durch einen zweiten Turm, normalerweise der am einfachsten darzustellende Pronkin-Stein, ersetzt wird.

Nicolas Dupont
Orbit 2005 (V), 1. Preis, zum Gedenken an Guy Dupont
Beweispartie in 31 Zügen (15+10)

 

Aber auch das ist natürlich alles andere als trivial, wie allein schon die Tatsache zeigt, dass das Stück mit 10,5 Punkten ins FIDE-Album gekommen ist.

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Retro der Woche 29/2014

Das Pronkin-Thema, mit dem wir uns hier in den letzten zwei Wochen beschäftigt haben, ist eigentlich ein klassisches Thema für Beweispartien: Dort wirkt es besonders paradox, wenn ein Stein auf dem Feld der Partieanfangsstellung steht, aber er schon einmal gezogen hat – nicht um zurückzukehren, sondern weil es ein Umwandlungsstein ist, der das Original-Pendant ersetzt.

Dennoch lässt sich das Thema natürlich auch prima in klassischen Retros darstellen. Eine solche Aufgabe, die übrigens ebenso wie unser Retro der Woche 27/2014 nun bereits 25 Jahre alt ist, möchte ich euch heute zeigen.

Nikita Plaksin
Schachmati w SSSR 1989, 2. Preis
Ist die Stellung legal? (12+13)

 

Nun soll natürlich die Antwort auf die Autor-Frage nicht einfach „ja“ oder „nein“ lauten, sie muss selbstverständlich begründet werden.

Beginnen wir also wie üblich mit der Analyse der Schlagbilanz: Die vier fehlenden weißen Steine sind alle durch schwarze Bauernschläge erklärt: gxf und dxcxbxa. Bei Weiß ist erst einmal nur ein weißes Schlag sofort sichtbar: axb; damit sind noch zwei weiße Schläge frei.

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