Retro der Woche 10/2018

Hans Gruber leitete seinen Probleemblad Retro-Preisbericht für 2015-2016 wie folgt ein: “The tournament was very strong, most problems were on a quite high level, many proof games were outstanding. The prizewinners are exceptional, and the only drawback was that they competed against each other.”

Da können wir natürlich in seinem Bericht hervorragende Aufgaben erwarten, und heute möchte ich euch gleich den ersten Preis dieses Turniers vorstellen.

Michel Caillaud
Probleemblad 2015-2016, 1. Preis
Beweispartie in 26 Zügen (14+12)

 

Preisrichter Hans Gruber: “A fascinating proof game, showing an unbelievably complex theme in a wonderful and beautiful setting.” Von dem Thema ist auf den ersten Blick noch nichts zu erahnen, die Stellung verrät noch nicht allzu viel. Auf beiden Seiten ist genau ein Bauernschlag zu sehen, nämlich hxg3 bzw. hxg6. Das Zählen der sichtbaren schwarzen Züge ist damit auch schon beendet, und auch das bei Weiß bringt uns noch nicht viel weiter: 1+2+4+4+4+4=19 — da bleiben also noch sieben übrig.

Auffällig ist allerdings der fehlende [Lc8], der offensichtlich zu Hause geschlagen werden musste. Dass darüber hinaus auch [Dd8], [Th8] und [Bc7] verschwinden mussten, nehmen wir erst einmal zur Kenntnis, ohne noch zu ahnen, ob uns das weiterhelfen kann.

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Retro der Woche 02/2018

Das Beweispartien-Informalturnier von StrateGems 2015 war ein echtes Silvio-Baier-Festival. Drei der vier Preise (außer dem dritten, den Andrej Frolkin erhielt) gingen an Silvio; ebenso vergab Richter Thierry Le Gleuher die 2. und eine der beiden 4.-5. ehrenden Erwähnungen an ihn.

Heute habe ich davon den 4. Preis ausgesucht, der mir wegen seiner tollen Eleganz besonders gut gefällt. Das heißt nicht, dass ich als Richter eine andere Reihenfolge festgelegt hätte: Seine Aufgaben auf Platz 1 und 2 sind absolute Meisterwerke höchster Komplexität — da war Eleganz auch nicht Hauptziel der Komposition.

Sivio Baier
StrateGems 2015, 4. Preis
Beweispartie in 27,5 Zügen (12+16)

 

Etwas genaues Hinschauen aufs Diagramm kann man schon eine Menge über die Lösung erfahren: Bei Weiß fehlen genau vier Bauern, schwarz ist komplett. Bei Schwarz sind vier Bauernschläge sichtbar — aber weiße Bauern konnten damit nicht geschlagen werden, denn auf den Linien der fehlenden Bauern stehen keine schwarzen Kollegen — und die weißen Bauern konnten ihre Linien nicht verlassen, da sie keine Schlagobjekte hatten.

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Retro der Woche 39/2017

Im letzten Retro der Woche hatten wir uns eine Pronkin-Allumwandlung in einem klassischen Retro angeschaut, gesehen, wie relativ leicht sich das Thema darstellen lässt. Ganz im Gegensatz zur Darstellung in einer Beweispartie: Da galt dieses Thema lange als nicht darstellbar, bis dann Nicolas Dupont und Gerd Wilts das Gegenteil bewiesen.

Wenn ein Umwandlungsthema nicht darstellbar ist, dann suchen viele Autoren nach harmonischen Darstellungen von Teilen des Themas, und so machte es auch Michel Caillaud sehr erfolgreich in einem bekannten Thematurnier, das ich für mich immer als „Rosstäuscher-Turnier“ bezeichne: In an orthodox shortest proof game, one or more pieces are not what they appear to be.

Michel Caillaud
StrateGems TT 1998, 1. Preis
Beweispartie in 17,5 Zügen, zwei Varianten nach dem 5. Zug von Weiß (13+15)

 

Schauen wir zunächst einmal, welche Steine fehlen, wo sie geschlagen worden sein können.

Es fehlt nur ein schwarzer Stein, der irgendwo auf der c-Linie geschlagen wurde. Und dieser Stein ist entweder [Bf7] oder [Bh7], der sich also umgewandelt haben muss, da er nicht direkt geschlagen werden konnte.

Bei Weiß ist es schon komplizierter: Da fehlen [Lc1] sowie [Be2] und [Bh2]. Wie können die verschwunden sein?

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Retro der Woche 38/2017

In der letzten Woche hatte ich eine Beweispartie vorgestellt, die ich dem „Ukraine-Album“ 2004 bis 2006 entnommen hatte.

Heute will ich daraus ein klassisches Retro vorstellen, das nicht allzu schwer zu lösen ist, aber sehr hübschen Inhalt zeigt. Wenn ihr das letzte Retro der Woche verfolgt habt, dann wisst ihr auch schon, wer heute Autor des ausgewählten Stücks ist.

Andrej Frolkin
Messigny 2006, 2. Ehr. Erw.
Löse die Stellung auf! (12+11)

 

Leicht ist die Frage zu beantworten, wer mit der Zugrücknahme beginnen muss: Der schwarze König steht im Schach, also muss Weiß mit der Rücknahme dieses Schachgebots beginnen. Etwas kniffliger ist die Frage nach den Bauernschlägen.

Bei Schwarz haben wir, leicht zu sehen, vier Schlagfälle durch die Bauern: dxe, fxe, gxf, hxg. Wir sehen allerdings keine direkten weißen Bauernschläge.

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Retro der Woche 34/2017

Im letzten Retro der Woche hatte ich den Sieger der Beweispartien-Gruppe im diesjährigen „Champagner-Turnier“ von Michel Caillaud vorgestellt. Heute kommt nun, sicher nicht besonders verblüffend, der Sieger der „andere Retros“ Gruppe. Wir erinnern uns: Thema war der „verallgemeinerte“ (Anti-) Pronkin: Ein Feld wird im Laufe der Lösung sowohl von einem Originalstein als auch von einem Umwandlungsstein gleichen Typs und gleicher Farbe betreten.

Besonders schön fand ich es, dass ich in Dresden sowohl Roberto Osorio, Co-Autor bei der Beweispartie, als auch Joaquim Crusats endlich einmal persönlich kennen lernen konnte: So viel Mail-Kontakt hatten wir schon, aber uns noch nie persönlich getroffen.

Joaquim Crusats
Champagner-Turnier Dresden 2017, 1. Preis
Löse die Stellung auf (15+13)

 

Der einzig fehlende weiße Stein wurde auf der c-Linie geschlagen. Weiß schlug exf und hxg, ferner musste Weiß noch seinen [Ba2] loswerden, dazu muss er umgewandelt haben, was einen weiteren weißen Schlag erfordert:

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Retro der Woche 33/2017

Beim traditionellen „Champagner-Turnier“, das Michel Caillaud regelmäßig zu den WCCC-Treffen ausschreibt, ging es in diesem Jahr anlässlich es Dresdener Treffens um den „verallgemeinerten (Anti-) Pronkin: Ein Feld wird im Laufe der Lösung sowohl von einem Originalstein als auch von einem Umwandlungsstein gleichen Typs und gleicher Farbe betreten. Für dieses Turnier wurden die normalen Pronkins (Umwandlungsstein betritt Feld der Partieausgangsstellung des entsprechenden Originalsteins) und Anti-Pronkin (Originalstein betritt Umwandlungsfeld des entsprechenden Umwandlungssteins) ausgeschlossen.

Michel hat das Turnier in zwei Gruppen ausgeschrieben: Beweispartien und andere Retros. Heute schauen wir uns die siegreiche Beweispartie an.

Jorge J. Lois & Roberto Osorio
Champagner-Turnier Dresden 2017, 1. Preis
Beweispartie in 18 Zügen (12+14)

 

Über die weißen Züge können wir aufgrund des Diagramms nicht allzu viel sagen, aber wegen des Themas können wir schon davon ausgehen, dass die beiden fehlenden weißen Bauern thematisch umgewandelt haben.

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Retro der Woche 19/2017

Der Verfasser unseres heutigen „Retro der Woche“ ist nicht nur als ein hervorragender Komponist bekannt (davon können wir uns heute wieder überzeugen), sondern auch als Redakteur der Retro-Abteilung von Probleemblad sowie (Co-)Autor wichtiger Publikationen zu „modernen“ Beweispartien: Zum Beispiel das Schwalbe-Sonderheft 250A (August 2011) über „Future Proof Games“ sowie die fortsetzende Artikelreihe in StrateGems.

Roberto Osorio
Die Schwalbe 2014
Beweispartie in 19,5 Zügen (9+9)

 

So ist es nicht überraschend, dass wir auch hier „Zukunfts-Thematik“ zu erwarten haben, also mindestens die Doppelung zweier Themen. Aber das muss nicht heißen, dass die Aufgabe sehr schwer zu lösen ist: Versucht doch, bevor ihr weiterlest, vielleicht fünf oder zehn Minuten lang, die Stellung allgemein zu analysieren, ohne euch schon Gedanken über mögliche Zugfolgen zu machen. Vielleicht findet ir ja auch schon den einen oder anderen „Lösungsverräter“?

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Retro der Woche 13/2017

Im letzten Retro der Woche 12/2017 hatte ich den ersten Preis im Troitzki-Gedenkturnier vorgestellt und schon versprochen, nun den zweiten Preis zu besprechen.

Nach dem klassischen Retro in der letzten Woche sehen wir nun eine hochmoderne Beweispartie.

Silvio Baier
Troitzki-Gedenkturnier 2017, 2. Preis
Beweispartie in 28,5 Zügen (14+11)

 

Eine sehr elegante Diagrammstellung: Bei Schwarz stehen alle Steine auf ihren Feldern der Partieausgangsstellung („Home Base“), bei Weiß hingegen findet sich kein Stein mehr auf der ersten Reihe – bis in die schwarze Stellung hinein haben sich die weißen Steine vorgekämpft.

Damit müssen wir uns zunächst auch keine Gedanken über schwarze sichtbare Züge zu machen; anders schaut es bei Weiß aus. Dort sehen wir 3+1+4+(3+x)+(2+y)+4=17+x+y Züge.

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