Retro der Woche 51/2024

In der letzten Woche hatte ich auch über das FIDE-Album 1992 – 1994 gesprochen mit der recht niedrigen Auswahl an Retros, speziell an Beweispartien. Die in diesem Album höchstbepunktete (4+4+2,5=10,5) Beweispartie habe ich hier noch nicht gezeigt; das will ich heute nachholen.

Unto Heinonen
Die Schwalbe 1993, Andrej Frolkin gewidmet, 4. Preis
Beweispartie in 26,5 Zügen (13+13)

 

Zählen wir zunächst einmal die sichtbaren Züge, auch wenn das nicht allzu viele sind: Bei Weiß sehen wir 0+0+3+0+1+2=6, bei Schwarz 3+0+2+2+1+3=11: Mal wieder erschreckend wenig; wenn wir allerdings uns auch die fehlenden Steine anschauen, können wir wieder Mut schöpfen: Bei Schwarz und bei Weiß fehlen jeweils genau drei Bauern – da kommen uns doch sofort Umwandlungen in den Sinn?

Betrachten wir also die Bauernstrukturen näher: Bei Schwarz sehen wir drei Schläge, nämlich e7xd6, ferner ist sBd5 der [Bb7] oder der [Bf7]. Bei Weiß ist ebenfalls exd3 klar, wBg3 kann allerdings [Bf2] oder [Bh2] sein. Können wir diese beiden „offenen Bauern“ schon näher bestimmen?

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Retro der Woche 38/2024

Bleiben wir heute doch bei den klassischen Auflöse-Aufgaben – heute ein Stück komplexer als in der letzten Woche, ein klasse Task. Nikolai Beluchow hatte das Stück „prinzipiell“ gebaut und dann an Henrik Juel und Andrej Frolkin geschickt, die jeweils ein paar Korrekturen und Verbesserungen vorschlugen – und schwupps war ein bemerkenswertes Drei-Männer-Werk entstanden, das dann im Schwalbe Jahresturnier sehr hoch ausgezeichnet wurde. Und auch der erste Preisträger des Turniers ist einen zweiten Blick wert.

Nikolai Beluchow, Henrik Juel & Andrej Frolkin
Die Schwalbe 2010, 2. Preis
Letzter Zug? (14+12)

 

Sofort fallen einige Umwandlungssteine auf: Zwei weiße Damen sehen wir auf dem Brett, ebenso zwei weißfeldrige weiße Läufer. Und auch der sLa1 muss durch Umwandlung entstanden sein.

Betrachten wir die Schlagbilanz, stellen wir zunächst fest, dass das nahe liegende sBc4xd3 und sBb3xc2 nicht funktionieren kann, da bei Weiß neben einem Springer auch der schwarzfeldrige Läufer fehlt. Also kommt sBc2 von c7. Also schlug Weiß auf c/d überkreuz und sBd3 kommt von e8. Weiß musste dann nach axb in einen Läufer und schlagfrei auf e8 in eine Dame umwandeln. Damit sind zusammen mit gxf7 alle weißen Schläge verbraucht, sodass [Bh7] nur verschwinden konnte, nachdem dieser sich auf g1 umgewandelt hatte – und damit sind auch alle schwarzen Schläge erklärt.

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Gerd Wilts 55

Heute feiert Gerd Wilts seinen 55 Geburtstag. Ganz herzliche Glückwünsche gehen dazu nach München!

Ohne Gerd ist die Internet-Präsenz der Schwalbe kaum denkbar: Nachdem er sich schon sehr früh speziell für Retros interessiert hat — bereits im Alter von 22 Jahren veröffentlichte er zusammen mit Andrej Frolkin das erste Buch über Beweispartien — stürzte er sich dann schnell auf das Thema “Internet”: Präsenz seiner Retro-Sammlung, die er dann mit einem Team ausbaute, um auch “Vorwärts-Probleme” nachspielen zu können. Das war gedacht für die Niemann-Sammlung, daraus wurde dann die PDB, die er immer noch betreut. Und seit beinahe ewigen Zeiten ist er auch der Webmaster des Schwalbe-Internet-Auftritts: Beides sehr zeitaufwändige Arbeiten “im Hintergrund”, die man als Außenstehender kaum sieht, die aber um so mehr gewürdigt werden sollten.

Viel zu selten kommt der hervorragende Komponist dadurch neben Familie, Beruf und Musik, zum Bauen von Retros. Eine Zeitlang hat er sich mit Beweispartie-Zwillingen beschäftigt, die sich ausschließlich in der Zügezahl der eindeutigen Lösungen unterscheidet — je größer der Unterschied, umso beeindruckender. Einen der beiden Rekorde mit einer Differenz von neun (!) Halbzügen — auch das andere Stück ist von ihm — möchte ich euch heute zeigen, euch zum Lösen einladen.

Gerd Wilts
US Problem Bulletin 1997, 3. ehrende Erwähnung
Beweispartie in 8,5 Zügen, b) in genau 13,0 Zügen (15+15)

 

Viel Spaß beim Knobeln — in etwa einer Woche findet ihr wie üblich hier die Lösung.

 

Lösung

Die b)-Lösung findet ihr als Variante der a)-Lösung.


Höchst interessant, wie Weiß und Schwarz eindeutig die “unnützen” Züge einbauen können!

Retro der Woche 42/2023

Eines der “Wettbewerbs-Felder” in der Retroanalyse ist die Suche nach Längenrekorden bei Auflöse-Aufgaben: Wie viele eindeutige letzte Züge lassen sich mit einer bestimmten Anzahl an Steinen darstellen? Hierbei wird im Wesentlichen unterschieden zwischen den Typen A (es wird nicht angegeben, wer am Zug ist; kein König steht im Schach), B (es wird angegeben, wer am Zug ist; kein König steht im Schach) und C (ein König steht im Schach); hinzu kommen noch Nebentypen wie Duplex und Färbe-Aufgaben.

Solche Rekord-Aufgaben sind technisch eigentlich immer interessant, aber häufig nicht allzu schwer zu lösen, und so beurteile ich auch das heutige Beispiel vom Typ A (und lade euch damit explizit zum Selbstlösen ein).

Dmitrij Baibikov
Length Records in ‘Last Single Moves?’ Problems 2009
Letzte 28 Einzelzüge? (10+10)

 

Die Broschüre, in der unser heutiges Stück urgedruckt wurde, wird von Dmitrij Baibikov, Alain Brobecker (“Erfinder” der Broschüre) und Thierry Le Gleuher herausgegeben und gelegentlich aktualisiert; die neueste Fassung stammt vom August 2022 und kann kostenlos aus dem Internet heruntergeladen werden. Sehr zu empfehlender Lesestoff!

Wie bei 20 Steinen nicht anders zu erwarten eine relativ lockere Stellung, jedoch mit einem klar gezeichneten Käfig im Westen, den es natürlich aufzulösen gilt, um anschließend zur Partieausgangsstellung zurückspielen zu können.

Alle fehlenden Steine sind durch Bauernschläge erklärt: Schwarz schlug einmal mit einem seiner Bauern auf der b-Linie und zusammen fünfmal mit sBa2 und sBe2 (5+0 mal, wenn sBa2 von f7 kommt, 4+1 mal, wen er von e7 kommt). Bei Weiß sieht man dxc3 sowie gxh sowie vier Schläge eines der beiden weißen Bauern auf der a-Linie, der also [Be2] ist.

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Last-Move Rekorde

Nachtrag 11.7.23: korrigierte Datei (zwei Diagrammfehler beseitigt)

Werner Keym hat eine aktualisierte Liste (Stand 1. Juli 2023) der ökonomischen Last-Move Rekorde für die Typen

A: Es wird nicht angegeben, wer am Zug ist. Kein König steht im Schach
B: Es wird angegeben, wer am Zug ist
C: Ein König steht im Schach
M: Schwarz ist matt

veröffentlicht; sie kann auf der Schwalbe-Website angeschaut werden.

Viel Spaß beim Studieren — und überbieten?!

Andernach 2023

1975 fand zum ersten Mal ein Problemschachtreffen in Andernach statt, bald schon jeweils am Himmelfahrt-Wochenende jedes Jahr, nur 2020 und 2021 wegen Corona ausgefallen.

Die Einheit „Andernach und Problemschach“ ist untrennbar mit Zdravko Maslar verbunden, der die Treffen bis zur Rente in seinem Restaurant, dem Balkan-Pik, ausrichtete, auch später noch, solange es seine Gesundheit zuließ, mit organisiert hat.

Zum Start des diesjährigen Treffens möchte ich ein Retro von Pile Maslar, dessen großartige Kompositionsleistungen überwiegend mit Hilfsmatts verbunden werden, vorstellen: Mit „Last Movern“ hat er sich in den späten 1950-er Jahren gelegentlich beschäftigt; eines dieser Stücke möchte ich euch heute „zwischendurch“ zeigen.

Zdravko Maslar
problem 1957, 1. Preis e.ae. im 16. Thematurnier
Letzter Zug? (4+9)

 

Wie immer erscheint die Lösung nächste Woche an dieser Stelle!

 

Lösung

Letzter Zug Tc8xDb8 — warum nicht Tc8xS/Lb8 oder Tc8-b8?
Davor geschah Da7-b8 — wieso schlagfrei?

Retro der Woche 05/2023

Mit dem vierten Heft 2022, dem hundertsten insgesamt, hat nach 25 Jahren StrateGems sein Erscheinen eingestellt. Leider ist auch bereits die Website, auf der kurzzeitig alle Hefte als PDF-Datei herunter geladen werden konnten, schon seit ein paar Tagen offline.

Das Ende von StrateGems ist für die gesamte Problemschachwelt, besonders aber für uns Retrofreunde ein Riesenverlust: Nicht nur die Qualität der Urdrucke war dort überdurchschnittlich hoch, was auch der Redaktionsarbeit von Kostas Prentos zu verdanken ist, der die Retroabteilung mehr als 13 Jahre lang geleitet hatte, auch wurden dort viele hervorragende Retro-Artikel veröffentlicht, was wir auch der Mitarbeit von Silvio Baier dort zu verdanken hatten.

Schon jetzt im Januar 2023 ist der Preisbericht für die Retros 2022 erschienen; Richter war Vlaicu Crisan. Darin zeigt sich, dass der Jahrgang 2022 überragend war; ich werde noch auf manche Aufgaben dieses Preisberichts zurückkommen.

Beginnen möchte ich gleich mit einer Sensation, die ich bei den Illegal Clusters kaum für möglich gehalten hätte:

Dmirij Baibikov
StrateGems 2022, 1. Preis (klassische Retros)
Ergänze 25 Steine zu einem Illegal Cluster (1+6)

 

Der bisherige Rekord mit acht Steinen, zu denen entsprechend 24 ergänzt werden sollen, stammt von Hans-Heinrich Schmitz aus dem Jahr 1981: Den solltet ihr euch unbedingt noch einmal ansehen, und ihr werdet feststellen, dass dort eine andere Grundidee als hier verwendet wurde — P0001751.

Wie kann man sich einem Lösungsansatz nähern? Schließlich stehen 32 Steine auf dem Brett, die Stellung ist illegal und wird durch Entfernung eines beliebigen Steins (außer den Königen selbstverständlich) legal. Bei der großen Zahl von Steinen kann ein nicht auflösbarer Käfig mit ziemlicher Sicherheit ausgeschlossen werden, da das Entfernen „irgendeines“ Steins außerhalb dieses Käfigs nichts an der Illegalität ändert. Eine illegale Bauernstruktur ist bei einem IC mit 32 Zielsteinen auch nicht denkbar.

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Retro der Woche 33/2020

Immer wieder sorgt der berühmt-berüchtigte „Kölner Keller“ bei Fußballfans für Aufregung, für immer wieder neuen, nie versiegenden Diskussionsstoff, wenn der „Videoschiedsrichter“ aus dem Keller den auf dem Platz an den Fernseher bittet, um sich noch einmal eine wichtige Szene anzuschauen und dann gegebenenfalls seine bisherige Entscheidung zu revidieren.

Den Videoschiedsrichter brauchen wir bei Preisberichten natürlich nicht, aber auch da gibt es gelegentlich Diskussionen — z.B. „Auszeichnung trotz Vorläufers“? Diese Situation gab es auch beim Retropreisbericht 2020 der Schwalbe aus dem Aprilheft 2022. Dort hatte der Preisrichter eine Aufgabe nicht berücksichtigt, weil sie zu nahe am eigenen Vorläufer sei — diesen Vorläufer hatte ich im Retro der Woche 11/2015 vorgestellt (und den solltet ihr euch dringend jetzt noch einmal anschauen!).

Nun kam Richter Paul Rãican nach der Diskussion mit einigen Retrofreunden, speziell mit Werner Keym zu einem anderen Ergebnis als vorher; im Augustheft vergab er nachträglich einen Spezialpreis für unser heutiges Retro der Woche.

Harry Goldsteen
Die Schwalbe 2020, Spezialpreis
Löse auf! (6+13)

 

Die Matrix hat natürlich große Ähnlichkeit mit Harrys Stück aus dem Jahr 1989 — auch das ist ja ein „nach…“ Problem von Andrej Frolkin; das findet sich in der PDB als P0000096; die Geschichte dieser drei Aufgaben kann auch nachgelesen werden in meinem Artikel „Entschlag auf der Fesselungslinie“, Die Schwalbe Juni 2020, S. 561-563.

Bei Schwarz fehlen die drei Schwerfiguren, deshalb kann Weiß auch noch nicht g5xD/Tf6 zurücknehmen: dem wäre ein illegales Schachgebot gegen den weißen König vorausgegangen. Und nach dem offensichtlichen 1.– Sh7-f8+ steht Schwarz direkt vor dem Retropatt, könnte sofort keinen weiteren Zug zurücknehmen.

Wie kann nun Weiß die Stellung legal halten?

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