Retro der Woche 02/2018

Das Beweispartien-Informalturnier von StrateGems 2015 war ein echtes Silvio-Baier-Festival. Drei der vier Preise (außer dem dritten, den Andrej Frolkin erhielt) gingen an Silvio; ebenso vergab Richter Thierry Le Gleuher die 2. und eine der beiden 4.-5. ehrenden Erwähnungen an ihn.

Heute habe ich davon den 4. Preis ausgesucht, der mir wegen seiner tollen Eleganz besonders gut gefällt. Das heißt nicht, dass ich als Richter eine andere Reihenfolge festgelegt hätte: Seine Aufgaben auf Platz 1 und 2 sind absolute Meisterwerke höchster Komplexität — da war Eleganz auch nicht Hauptziel der Komposition.

Sivio Baier
StrateGems 2015, 4. Preis
Beweispartie in 27,5 Zügen (12+16)

 

Etwas genaues Hinschauen aufs Diagramm kann man schon eine Menge über die Lösung erfahren: Bei Weiß fehlen genau vier Bauern, schwarz ist komplett. Bei Schwarz sind vier Bauernschläge sichtbar — aber weiße Bauern konnten damit nicht geschlagen werden, denn auf den Linien der fehlenden Bauern stehen keine schwarzen Kollegen — und die weißen Bauern konnten ihre Linien nicht verlassen, da sie keine Schlagobjekte hatten.

Weiterlesen

Retro der Woche 13/2017

Im letzten Retro der Woche 12/2017 hatte ich den ersten Preis im Troitzki-Gedenkturnier vorgestellt und schon versprochen, nun den zweiten Preis zu besprechen.

Nach dem klassischen Retro in der letzten Woche sehen wir nun eine hochmoderne Beweispartie.

Silvio Baier
Troitzki-Gedenkturnier 2017, 2. Preis
Beweispartie in 28,5 Zügen (14+11)

 

Eine sehr elegante Diagrammstellung: Bei Schwarz stehen alle Steine auf ihren Feldern der Partieausgangsstellung („Home Base“), bei Weiß hingegen findet sich kein Stein mehr auf der ersten Reihe – bis in die schwarze Stellung hinein haben sich die weißen Steine vorgekämpft.

Damit müssen wir uns zunächst auch keine Gedanken über schwarze sichtbare Züge zu machen; anders schaut es bei Weiß aus. Dort sehen wir 3+1+4+(3+x)+(2+y)+4=17+x+y Züge.

Weiterlesen

Retro der Woche 07/2017

Sehr schnell konnte Kostas Prentos seinen Preisbericht zur Retro-Abteilung des 5. FIDE World Cups erstellen: Es gab nur zwölf Einsendungen, von denen auch noch zwei defekt waren. Trotz der dünnen Beteiligung gibt es im Turnier zumindest drei ganz hervorragende Aufgaben.

Den ersten Platz – Tusch und herzliche Glückwünsche nach Dresden – belegte Silvio Baier mit seiner Beweispartie, die ich heute vorstellen möchte; dabei orientiere ich mich an den Anmerkungen von Kostas.

Silvio Baier
5. FIDE World Cup in Composing 2017, 1. Platz
Beweispartie in 30,5 Zügen (13+10)

 

Die drei fehlenden weißen Steine wurden von [Bd7] auf seinem Weg nach a2 geschlagen. Zählt man die weißen sichtbaren Züge 5+1+2+3+3+5=19, so stellt man fest, dass Weiß noch zwölf Züge frei hat. In denen kann er aber nicht [Bf2], [Bg2] und [Bh2] zur Umwandlung bringen, damit drei Umwandlungssteine geschlagen oder das originale Schlagopfer ersetzen können.

Weiterlesen

Retro der Woche 30/2016

Im Retro der Woche 17/2016 hatte ich bereits den zweiten Preis des Schwalbe-Informalturniers 2014 vorgestellt. Heute möchte ich mich dem vierten Preis zuwenden, der ebenfalls beeindruckende, moderne Beweispartie-Thematik zeigt.

Nicolas Dupont & Silvio Baier
Die Schwalbe 2014, 4. Preis
Beweispartie in 30 Zügen (12+14)

 

In seiner unnachahmlichen Art bezeichnete Hans Gruber als Kommentator das Stück als „Eine der leichtesten Übungen seit langem!“, was er wie folgt erklärte: „Bei DER Kombination von Autoren kann man die Erwartungen gleich auf ‚Knüller‘ einstellen. Und sie werden nicht enttäuscht. … Grandios!!“

Dann wollen wir uns diesen Knüller doch genauer anschauen, bei dem keine Doppelbauern im Diagramm zu sehen sind, bei dem also die Schlagfälle zunächst gut verborgen sind.

Weiterlesen

Retro der Woche 28/2016

Immer wieder bin ich begeistert, wie pünktlich StrateGems erscheint: Das Heft habe ich trotz Versand aus den USA immer kurz vor dem Quartalsbeginn im Briefkasten. So jetzt auch das neue Heft, in dem der Retro-Urdruckteil bemerkenswert ist: Vier Anticirce-Verteidigungsrückzüger und fünf klassische Beweispartien: So verteilen sich im Moment offensichtlich die Vorlieben der Komponisten.

Im ersten Heft dieses Jahres war es noch extremer: Fünf Anticirce-VRZs und eine Beweispartie. Die möchte ich euch heute zeigen.

Silvio Baier
StrateGems 2016
Beweispartie in 23 Zügen (14+13)

 

Das übliche Zählen der sichtbaren Züge bringt uns hier zumindest bei Weiß nicht signifikant voran: Direkt zu sehen sind nur 0+2+0+2+0+1=5 Züge – bleiben also noch 18 frei! Bei Schwarz sehen wir sofort zwei Umwandlungsläufer, die brauchten schon einige Züge, nämlich zusätzlich zu den insgesamt zehn Bauernzügen noch mindestens jeweils zwei Züge. Neben diesen 14 Zügen sehen wir im Diagramm noch vier weitere Züge: Macht zusammen 18: hier sind also noch fünf Züge frei.

Wie soll man das lösen können? Vielleicht helfen ein paar Überlegungen zu den Umwandlungen weiter?

Weiterlesen

Chronicles

Im Jahre 2011 haben Silvio Baier, Nicolas Dupont und Roberto Osorio das Die Schwalbe Sonderheft 250A veröffentlicht, in dem sie sich mit “Beweispartien der Zukunft” beschäftigten, also Beweispartien, die (mindestens) zwei Themen jeweils (mindestens) doppeln.

Schon in diesem Heft kündigten sie an, Fortsetzungen erscheinen zu lassen. Diese erscheinen nun in Form von “Chronicles” in StrateGems; die erste Ausgabe mit neuen Rekorden und Erweiterungen zu klassischen Ceriani-Frolkin Beweispartien, wobei alle Umwandlungen einheitlich in eine Steinart erfolgen.

Sie illustrieren diese Gruppe mit insgesamt 15 Beispielen, darunter auch unser Retro der Woche 18/2015. hier möchte ich aber eine andere Aufgabe vorstellen:

Michel Caillaud
Messigny 2010, 1.-2. Preis
Beweispartie in 21,5 Zügen (12+12)

 

Hier kommen zu den vier Ceriani-Frolkin-Springern noch die Rückkehren aller vier Original-Springer: 1.h4 a5 2.h5 a4 3.h6 a3 4.hxg7 axb2 5.a4 h5 6.a5 Sh6 7.g8=S h4 8.Sf6+ exf6 9.a6 Le7 10.axb7 Sa6 11.b8=S OO 12.Sc6 Sb8 13.Ta6 Kh7 14.Sa3 b1=S 15.Th2 Sc3 16.dxc3 Sg8 17.Lh6 h3 18.Da1 hxg2 19.Sh3 g1=S 20.Sb1 Sf3+ 21.exf3 dxc6 22.Sg1. Das ist dann in der Future Proof Game Notation:
CF(SS)&CF(ss)&SW(SS)&SW(ss)

Retro der Woche 07/2015

In der letzten Woche hatte ich hier den 1. Preis des Dupont Geburtstagsturniers vorgestellt; heute folgt, wie von einigen Kommentatoren gewünscht (und von mir sowieso vorgesehen …) der 2. Preis dieses hervorragenden Turniers, bei dem es um echoartige Umwandlungen ging.

Kostas Prentos & Andrej Frolkin
Dupont-50 2014, 2. Preis
Beweispartie in 28,5 Zügen (13+13)

 

Es erscheint im ersten Moment als lustiger Zufall, dass wie beim ersten Preis im Diagramm jeweils wieder bei Weiß und Schwarz drei Bauern fehlen. Doch trifft dieser „Zufall“ im Turnier nicht nur auf diese beiden Stücke zu, sondern es gibt noch mehrere Preisträger, bei denen nur Bauern fehlen, und zwar auf beiden Seiten die gleiche Anzahl. Dies scheint also für die Themendarstellung besonders geeignet zu sein.

Besonders auffällig im Diagramm sind die Bauernkonstellationen im Nordwesten und im Südosten: Irgendwie müssen die a- bzw. die h-Bauern ja aneinander vorbei gekommen sein. Dafür gibt es prinzipiell zwei verschiedene Möglichkeiten:

Weiterlesen

Retro der Woche 45/2014

Manchmal mag man bedauern, dass die Zeit der Wetten auf Schachprobleme, auf deren Lösbarkeit, auf bestimmte Eigenschaften der Lösung ziemlich vorbei sind…

Heute schauen wir uns eine Aufgabe an, mit der man sicherlich Wetten gewinnen könnte – aber betrachten wir zunächst die Diagrammstellung genauer:

Dan Meinking
StrateGems 2002, 1. Preis
Beweispartie in 27,0 Zügen (12+14)

 

Wie meistens schauen wir zunächst nach den Schlagfällen: Weiß hat die beiden fehlenden schwarzen Steine auf e3 und f3 geschlagen; da u.a. der [sLc8] fehlt, muss der auf f3 verschwunden sein. Der zweite im Diagramm fehlende schwarze Stein ist [sBa7], der natürlich selbst nicht auf e3 geschlagen worden sein kann. Er muss sich also umgewandelt haben, um sich dann selbst zu opfern oder das Schlagopfer von e3 im Diagramm zu ersetzen.

Drei der vier fehlenden weißen Steine sind sichtbar geschlagen worden, auch diese Schlagopfer können definitiv keine Bauern gewesen sein, aber irgendwie müssen [wBa2] und [wBh2] verschwunden sein.

Weiterlesen