Retro der Woche 04/2019

Vor einigen Tagen erhielt ich das Phénix Heft mit meinem Retro-Preisbericht 2015-2016. Aus dem Bereich der „klassischen Retros“ hatte ich hier bereits den 1. Preis und den 3. Preis gezeigt; heute möchte ich euch einen Verteidigungsrückzüger aus diesem Turnier vorstellen.

Andrej Frolkin & Joaquim Crusats
Phénix 2015-2016, 3. ehrende Erwähnung
-9 & #1, VRZ Proca (13+13)

 

Beim Verteidigungsrückzüger versucht Weiß die Vorwärtsforderung (hier: Matt in einem Zug) zu erfüllen, spätestens nachdem die angegebene Anzahl von Rückzügen gemacht worden ist; Schwarz versucht sich gegen das weiße Ziel (natürlich nur mit legalen Rückzügen) zu wehren. Beim Typ Proca bestimmt die rückziehende Seite, ob und welcher Entschlag mit der Rücknahme verbunden war; auch hier sind natürlich nur legale Entschläge gestattet.

Was haben Autoren, Löser und Preisrichter nur übersehen? Das lässt sich doch direkt in einem Zug lösen: R: 0-0-0 & vor: 1.Txa2#. Obwohl: Konnten die hochklassigen Autoren das übersehen? Und auch der Preisrichter? Vielleicht lohnt es, die Stellung genauer zu betrachten…

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Retro der Woche 52/2018

Wir gedenken in dieser Woche des 80. Geburtstages des ukrainischen Komponisten Alexander Kisljak (27.12.1938 – 5.5.2010). Er war ein bedeutender Verfasser überwiegend klassischer Retros, hat sich allerdings auch mit Beweispartien beschäftigt. Er ist auch häufig als Autor in Erscheinung getreten. Eine Zusammenfassung seiner wichtigsten Artikel erschien 1998 als Buch (ПО СЛЕДАМ ШАХМАТНИХ ФИГУР), teilweise synoptisch in russischer und deutscher oder englischer Sprache.

Mit dem Thema der heutigen Aufgabe hat sich Kisljak intensiv beschäftigt und hat es in zwei Schwalbe-Artikeln („10 Jahre Verfolgung eines retroanalytischen Themas“, Februar 1987 und „Die Verfolgung eines retroanalytischen Themas geht weiter“, August 1989).

Alexander Kisljak
Die Schwalbe 1987 – Karl Fabel zum Gedenken, 5. ehrende Erwähnung
Löse die Stellung auf! (11+13)

 

Auffällig sind die bauernlosen g- und h-Linien; ein Teil der Bauern kann wegen der Schlagbilanz nicht direkt geschlagen worden sein, sondern sie müssen umgewandelt haben. So sieht man vier schwarze Bauernschläge ([Be7] > a2) und zwei weiße: axb und d2xc3.

Aber irgendwie müssen die umzuwandelnden Bauern im Osten ja aneinander vorbei gekommen sein…

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Retro der Woche 50/2018

Retros mit der Bedingung „monochromes Schach“ haben wir hier schon gelegentlich (z.B. Retro der Woche 22/2017 und 51/2017 angeschaut: Hier sind nur Züge legal, bei denen Start- und Zielfeld gleiche Farbe haben. Besondere Spezialisten für diesen Bedingungstyp in Retros sind René J. Millour, der die beiden zitierten Aufgaben gebaut hat, und Thierry Le Gleuher; von ihm möchte ich heute ein interessantes Stück vorstellen.

Thierry Le Gleuher
Phénix 2012, Trillon-Gedenkturnier, 4. Preis
h#1 Wo wurde [Dd1] geschlagen? Monochromes Schach (4+8)

 

Bei der folgenden Besprechung habe ich mich wesentlich auf die Lösungsangaben von Hans Gruber gestützt, die dieser für feenschach geschrieben hat.

Schauen wir zunächst nach dem Hilfsmatt: Hier ist nur 1. 0-0 Lc4# möglich – und damit wissen wir, dass [Ke8] und [Th8] noch nicht gezogen hatten.

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Retro der Woche 39/2018

Traditionell hatte Michel Caillaud beim WCCC wieder sein „Champagner-Turnier“ ausgerichtet – in diesem Jahr war der Valladão-Task gefordert: In einer Aufgabe kommen alle drei „Sonderzüge“ (Rochade, Umwandlung und en passant Schlag) vor. Das Turnier hatte zwei Gruppen: Beweispartien und andere Retros.

In der letzten Woche hatte ich hier eine Aufgabe der „anderen Retros“ vorgestellt, heute kommt nun wie angekündigt eine Beweispartie.

Vidmantas Satkus
Champagner-Turnier 2018, Abteilung A, 1. Preis
Beweispartie in 23,5 Zügen (13+12)

 

Das Thema ist natürlich auch in Beweispartien nicht völlig neu (auf Vergleichsaufgaben kommen wir gleich noch zurück), und es war sicher schon im Vorfeld klar, dass eine einfache Darstellung des Themas hier keine Blumentöpfe in Form von Champagnerflaschen werde gewinnen können.

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Retro der Woche 38/2018

Traditionell hatte Michel Caillaud beim WCCC wieder sein traditionelles Champagner-Turnier ausgerichtet – in diesem Jahr war der Valladão-Task gefordert: In einer Aufgabe kommen alle drei „Sonderzüge“ (Rochade, Umwandlung und en passant Schlag) vor. Das Turnier hatte zwei Gruppen: Beweispartien und andere Retros.

Heute möchte ich eine Aufgabe der „anderen Retros“ vorstellen, in der kommenden Woche kommt eine Beweispartie.

Marko Klasinc
Champagner-Turnier 2018, Abteilung B, 2. Preis
(-w & #2)* (11+12)

 

Die knapp geschrieben Forderung besagt, dass Weiß einen Zug zurücknimmt und dann in zwei Zügen mattsetzt. Dabei gibt es ein Satzspiel, d.h. Weiß kann die Mattforderung sofort erfüllen.

Schnell sieht man dieses Satzmatt 1.Dg8# — und sofort verfällt man auf die Idee, irgendeinen weißen Zug zurückzunehmen, um dann sofort Dg8# vorwärts zu spielen.

Aber so einfach ist das nicht: R 1.f2xXe3 ist illegal, da es die sDh1 einmauern würde, und R 1.d2xYe3? würde a7xZb8=L und c2-c1=L bedingen. Das aber ist illegal, da es zu viele schwarze Schläge erfordern würde: Lc1 und Th1 wurden auf der ersten Reihe geschlagen, und [Bh7] musste umwandeln, um verschwinden zu können, da alle fehlenden schwarzen Steine von Bauern geschlagen wurden.

Also suchen wir nach R 1. X und v: 1.X, droht 2.Dg8# — aber Schwarz kann sich dann mit 1.— OOO retten?!

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Hanspeter Suwe 70

Unsere Glückwünsche gehen heute nach Winsen / Holstein an Hanspeter Suwe, der dort seinen 70. Geburtstag feiert.

Hanspeter war in den 1970er Jahren Schwalbe-Sachbearbeiter gleichzeitig für Hilfsmatts, Selbstmatts und Märchenschach und ist ein vielseitiger Komponist (die PDB enthält 226 Aufgaben von ihm).

Besonders bekannt ist Hanspeter für seine Forschungen und Veröffentlichungen zur Rochade; so gab er jahrelang die diesem Spezialzug gewidmete Zeitschrift “König und Turm” heraus.

Diese Vorliebe schlägt sich natürlich auch in seinen Kompositionen nieder, in denen er gelegentlich auch Retro-Überlegungen einfließen lässt.

Anders Lundström & Hanspeter Suwe
0-0 1979
h#3; b) + wBc4 (2/3+4)

 

Schwarz zieht bekanntlich im Hilfsmatt an, also kann in a) Weiß nicht rochieren, da offensichtlich sein letzter Zug durch Turm oder König erfolgte: 1.Te5+ Kd2 2.Td5 Tb1 3.Sc5 Tb4#. In b) hingegen kann der letzte weiße Zug natürlich auch vom Bc4 erfolgt sein, also ist die Rochade zulässig: 1.Kxc4 0-0-0 2.Kb4 Kb2 3.Sc5 Td4#. Ein hübsches Echo mit toller Zwillingsbildung: Der “Retro-Beweisbauer” verhindert die Lösung von a), wird für die in b) nicht aktiv benötigt und daher konsequenter Weise geschlagen.

Lieber Hanspeter, lass dich heute toll feiern; ich wünsche dir für dein neues Lebensjahr(zehnt) alles Gute, natürlich ganz besonders Gesundheit!

Retro der Woche 36/2018

Heute möchte ich wieder eine schon etwas ältere Beweispartie (20 Jahre) vorstellen, die aus mehreren Gründen bemerkenswert ist.

Michel Caillaud
Probleemblad 1998, 2. Preis ex aequo
Beweispartie in 22,5 Zügen (13+12)

 

Das häufig sehr hilfreiche Zählen der sichtbaren Züge bringt uns hier nicht viel weiter: Bei Weiß sind es 1+0+0+1+0+4=6 Züge, bei Schwarz ein paar mehr, aber auch nicht erschöpfend viele: 4+1+0+0+1+2=8 — plus die eines Umwandlungsläufers. Vielleicht hilft uns ja die Überlegung weiter, wo der entstanden sein könnte?! Nicht auf d1: Dort wäre er nicht weggekommen. Auch nicht auf f1 oder h1: Das würde mindestens vier Schlagfälle erfordern, aber bei Weiß fehlen nur drei Steine.

Also entstand er auf b1.

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bernd ellinghoven 65

Heute feiert bernd ellinghoven seinen 65. Geburtstag, und dazu gehen herzliche Glückwünsche nach Aachen. Im Namen aller Leser hier wünsche ich dir für dein neues Lebensjahr zunächst einmal Gesundheit, und dann weiterhin viel vielseitige Schach-Kraft!

Ihr alle kennt bernd als Hilfsmatt-Revolutionär, als jahrzehntelangen Vertreter der Schwalbe beim WFCC (Früher PCCC), der internationalen Problemschach-Vereinigung, als ebenso jahrzehntelangen Herausgeben von feenschach. bernd ist aber auch ein ausgewiesener Freund und Kenner unserer Lieblings-Problemart, und eine Aufgabe, die er zusammen mit Klaus Wenda gebaut hat, möchte ich heute vorstellen.

bernd ellinghoven & Klaus Wenda
feenschach 1989, 3. Lob
Letzter Zug? Madrasi (9+4)

 

Madrasi (entnommen dem Schwalbe-Märchenschachlexikon): Wird ein Stein (außer König) von einem gleichartigen Stein des Gegners beobachtet, wird er gelähmt und verliert während der Beobachtung jede Zugmöglichkeit und Wirkung außer seinerseits gegnerische gleichartige Steine zu lähmen. Eine Rochade (=Königszug) mit einem gelähmten Turm ist möglich. Ein doppelschrittig ziehender Bauer ist e. p.-schlagbar.

Ich zitiere die damalige Lösung von Alexander Ettinger; spielt sie in Ruhe nach und prüft, wenn euch Madrasi neu ist, bei jedem Zug, warum er unter dieser Bedingung möglich ist: “Alle Hochachtung – ich war schon fast verzweifelt, denn Schwarz hat überhaupt keinen letzten Zug, und für Weiß hatte ich nur Kxg1 oder Sxh2 in Betracht gezogen (und dann hätte Schwarz wieder keinen letzten Zug), bis der Groschen fiel: Der letzte wZug war 0-0! mit dem Rückspiel Kg2-g3, Sg4-h2, Kg3-g2, Tf1-f2, Tg2-e2+, S-g4, Ld1-e2, S-, La6(z.B.)-e2, S-, Kf4-g3, e2-e3 usw. Ja, sogar Humor kann man bei guten Retros finden!”

Ein anderes Märchen-Retrostück von bernd (Co-Produktion mit Hans Peter Rehm) findet ihr in dessen Ladatio zu seinem 75. Geburtstag.

Auch wenn er keinen “runden” Geburtstag feiert: Auch Hans Gruber herzliche Glückwünsche zu seinem heutigen Geburtstag!