Retro der Woche 40/2016

Auf der Schwalbe-Tagung in Güstrow habe ich am gestrigen Samstagabend einen kleinen Vortrag zum Thema „Retro-Retraktoren“ gehalten. Den kurios erscheinenden Titel muss ich kurz erklären: Bei vielen Verteidigungsrückzügern (VRZ) zeigt die Lösung interessantes strategisches Spiel, das das „Rückwärts-Ziehen“ natürlich ausnutzt -– echte Retroanalyse ist jedenfalls oft kaum Inhalt der Aufgaben.
Andererseits gibt es auch VRZs, bei denen die Lösung stark von der Retroanalyse der Stellungen abhängt. Einige solcher Aufgaben, die den Retro-Charakter der Lösung besonders betonen, habe ich gestern im Vortrag präsentiert; ein recht einfaches, aber sehr instruktives Beispiel möchte ich heute hier vorstellen.

Joaquim Crusats & Andrej Frolkin
Quartz 2010
-3 & #1, VRZ Proca (11+9)

 

Wir erinnern uns: Beim Verteidigungsrückzüger nehmen beide Seiten abwechselnd legal einen Zug zurück. Weiß versucht, die Vorwärtsforderung (hier also ein Matt in einem Zug) vor in unserem Fall drei Zügen zu erreichen, d.h. nach der Rücknahme seines dritten Zuges will er in einem Zug mattsetzen können. Schwarz versucht dies zu verteidigen. Beim Typ Proca bestimmt die zurücknehmende Partei, ob ihr Zug einen Schlag beinhaltete und welcher gegnerische Stein geschlagen wurde – natürlich unter Beachtung der Legalität der Stellung.

Schauen wir uns nun die Diagrammstellung etwas genauer an.

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Retro der Woche 39/2016

Den Lösungsbesprechungen der kürzlich erschienenen Problemzeitungen habe ich heute eine Aufgabe entnommen, die mich sehr beeindruckt hat, die mich gleichzeitig staunen und schmunzeln ließ. Wie ging es euch, nachdem ihr die Aufgabe gelöst (oder durchgespielt) hattet?

Jorge Joaquin Lois & Roberto Osorio
Probleemblad 2016
Beweispartie in 16,5 Zügen (14+14)

 

Wirklich leicht zu lösen erscheint mir diese Aufgabe nicht, und das, obwohl sie relativ kurz ist. Aber dafür gibt es verschiedenen Gründe: Einer ist der, dass beim Zählen der sichtbaren Züge eine Menge frei bleiben.

Bei Schwarz geht es noch: Da sieht man 1+2+2+3+2+3=13 Züge – bleiben noch drei offen. (Bei dem einen Königs-Zug haben wir natürlich stillschweigend die lange Rochade angenommen.)

Bei Weiß hingegen haben wir noch viel mehr Luft: Da kommen wir (auch hier die lange Rochade voraussetzend) auf 1+1+0+1+0+1=4 sichtbare Züge – das ist schon extrem, vor allen Dingen, da wir nicht davon ausgehen können, dass die freien 13 Züge etwa durch zwei weiße Umwandlungen erklärt werden könnten.

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Retro der Woche 38/2016

Heute möchte ich den runden Geburtstag von Klaus Wenda am letzten Dienstag zum Anlass nehmen, eine seiner Aufgaben mit der Forderung „Verteidigungsrückzüger“ (VRZ) mit „Anticirce“-Bedingung genauer zu diskutieren – in der Hoffnung, dass der eine oder andere ein wenig die Scheu vor dieser unglaublich vielseitigen Aufgabenart verliert.

Erinnern wir uns: Im Verteidigungsrückzüger nehmen beide Seiten legale Züge zurück; Das Ziel von Weiß ist, nach der gegebenen Anzahl von Rückzügen die Vorwärtsforderung zu erfüllen; Schwarz verteidigt sich (wie beispielsweise im normalen Mattproblem) dagegen. Nun gibt es unterschiedliche Typen, die sich darin unterscheiden, wer denn mögliche Entschläge bestimmt: Im Typ Proca ist es jeweils der Zurücknehmende, im Typ Høeg genau der Gegner und im Typ Klan immer Weiß.

Bei Anticirce wird der „Schläger“ nach seinem Schlag auf sein circensisches Standfeld der Parteiausgangsstellung versetzt; ist dieses besetzt, ist der Schlag nicht möglich.

Klaus Wenda
König & Turm 2010
-5 & #1; VRZ Proca, Anticirce (3+9)

 

Der Autor beschreibt den Hauptplan: „Stünde der sK bereits auf e8, würde R 1.Tc8-c6 & vor 1.De6# durchdringen.“ Das lassen wir uns zunächst einmal auf der Zunge zergehen: Warum ist R 1.Tc8-c6 kein illegales Schachgebot? Richtig: h1 ist von der Dame besetzt. Und warum ist dann De6 matt?? Auf die siebte Reihe kann der sK nicht ausweichen wegen der Dame; er kann aber auch nicht nach d8 oder f8 entkommen, da er dann durch den wTc8 im Schach stünde: Das Wiedergeburtsfeld des Turms wäre dann a1, das im Gegensatz zu h1 frei ist. Warum kann sich Schwarz nicht mit 1.– LxDe6 verteidigen? Richtig; das Wiedergeburtsfeld c8 ist besetzt, der Schlag damit nicht möglich.

Und warum kann Schwarz nicht mit 1.– Dd1 das Wiedergeburtsfeld der wD besetzen? Weil sie damit h1 freigibt, sodass wTc8 nun Schach gibt – mit anderen Worten: wTc8 fesselt sDh1!

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Für zwischendurch (24)

Mal wieder eine hübsche Kleinigkeit zum Zwischendurch-lösen. Zdravko Maslar hat sich in seiner „Jugendzeit“ auch gelegentlich mit Retros beschäftigt; ein wie ich finde sehr nettes und nicht allzu schweres will ich euch heute zeigen.

Zdravko Maslar
problem 1954
Wer darf rochieren? (15+16)

 

Natürlich ist zu klären, wer auf h6 geschlagen wurde – und was das für Auswirkungen auf Rochaderechte hatte?

Und nein, die Figurenkonstellation im Südwesten ist kein Druckfehler!

Retro der Woche 31/2016

Ich finde es immer wieder spannend, mir ältere Preisberichte anzuschauen, um zu sehen, wie sich seit dem Berichtszeitraum die Retroanalyse weiterentwickelt hat. Beim Schwalbe-Preisbericht für den Jahrgang 1996 können wir diese Betrachtung gleich zweimal anstellen, denn Ersatz-Richter Ronald Schäfer, der im letzten Jahr in Aalen die Schwalbetagung ausgerichtet hatte, erstellte den Bericht erst im Jahre 2006 – jeweils zehn Jahre Abstand sind sehr interessant!

Den ersten Preis der damals noch kleinen Beweispartie-Abteilung (nur 10 von 54 Aufgaben!) hatten wir uns bereits als Retro der Woche 3/2015 angeschaut, hier nun die zweitplatzierte Aufgabe.

Chris Patzke
Die Schwalbe 1996, 2. Preis Abt. II
Beweispartie in 16 Zügen, Zeroposition a) sD→f3, b)+wBe3 (13+14)

 

Die „Zeroposition“ ist nicht zum Lösen gedacht, sondern es müssen die jeweiligen Stellungsänderungen vorgenommen werden, bevor dann a) und b) gelöst werden können. Wenn man so will, ist die Zeroposition einfach ein Trick, zwei Stellungsänderungen bei der Zwillings-Angabe zu vermeiden…

Sofort fällt natürlich auf, dass der weiße König in Teil b) im Doppelschach steht – können wir daraus schon Schlüsse ziehen? In Teil a) liegt kein Doppelschach vor, aber auch da kann das Schachgebot nur so erklärt werden, wobei das Startfeld beim Turmschach noch nicht genau gesehen werden kann.

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Retro der Woche 24/2016

Bekanntlich ist die Besonderheit des Verteidigungsrückzügers gegenüber anderen Teilbereichen der Retroanalyse, dass hier Weiß und Schwarz nicht kooperieren wie etwa bei Auflöse-Aufgaben oder Beweispartien, sondern Weiß ein Ziel verfolgt, gegen das Schwarz sich zu verteidigen sucht – in gewisser Weise also vergleichbar mit „normalen“ Mattaufgaben im Vorwärtsspiel, wo sich Schwarz ja auch gegen die Mattversuche des Weißen verteidigen will.

Damit lassen sich auch im Verteidigungsrückzüger „neudeutsche“ Planstaffelungen darstellen, bei denen auch beispielswiese Fragen der Zweckökonomie diskutiert werden können.

Joaquim Crusats & Andrej Frolkin
Probleemblad 2011 (V), 1. Preis 2009-2012
-6 & #1, VRZ Proca (13+11)

 

Unser heutiges Stück ist solch ein neudeutsches Beispiel. Andreas Thoma hatte kurzfristig die vakanten Preisrichter-Stellen für gleich vier Probleemblad-Jahrgänge übernommen, sein Bericht wurde im gerade erschienenen Heft für das zweite Quartal 2016 publiziert.

Wenn Schwarz nach R 1.La1-h8 zur Rücknahme der Rochade gezwungen wäre, so wäre Weiß bereits am Ziel: R 2.Lf6-a1 & vor: 1.Txd8#. Aber Schwarz kann sich mit R 1.—Kg7-g8! verteidigen, und Weiß muss mittels 2.c3xXb4 die Diagonale schließen.

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Retro der Woche 19/2016

Letzte Woche hatte ich hier den ersten Preis des Hanspeter-Suwe-60 Turniers vorgestellt, heute kommt wie versprochen der zweite Preis an die Reihe, ebenfalls mit einem bemerkenswerten Wechsel der Forderung

Bernd Gräfrath
6. K&T Thematurnier 2016, 2. Preis
a) Wer darf noch rochieren? b) Beweispartie in 12 Zügen (13+14)

 

Beschäftigen wir uns zunächst mit der ersten Fragestellung. Dem ersten Anschein nach spricht nichts gegen die Möglichkeit beider Parteien, noch zu rochieren. Natürlich fällt bei Schwarz die lange Rochade weg, aber warum sollte die kurze nicht mehr möglich sein? Ebenso spricht zunächst nichts gegen eine weiße Rochade.

Schauen wir allerdings genauer hin, so macht uns sBb5 ein wenig Kopfzerbrechen: Bei Weiß fehlen drei Bauern, welchen sollte er dann geschlagen haben, um von der c-Linie nach b zu kommen? Entweder hat sich [Bf2] umgewandelt und wurde dann auf b5 oder b6 geschlagen, oder dort wurde [Ba2] geschlagen.

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Retro der Woche 18/2016

Zwillinge in Retroaufgaben sind ziemlich selten – ich selbst hatte dies als Thema für das Karl-Fabel-100-Turnier vorgeschlagen, und dort waren sehr gute Aufgaben entstanden.

Gerade ist das neue Heft, Nummer 36, von König & Turm erschienen, in dem u.a. der Preisbericht zum dortigen 6. Thematurnier, gleichzeitig das Hanspeter-Suwe-60 Turnier, veröffentlicht wurde. Hier waren Forderungs- und/oder Bedingungswechsel in Mehrlingen verlangt, in denen die Rochade eine Rolle spielt.

In letzter Zeit haben bei solchen Turnieren, wo die Forderung frei ist, häufig Retros besonders gut abgeschnitten – für mich ein Indiz dafür, welch hervorragende und originelle Gestaltungsmöglichkeiten Retros bieten.

So auch in diesem Turnier, in dem zwei Retros die beiden Preise erhalten. Diese beiden Stücke möchte ich heute und in der kommenden Woche vorstellen.

Wolfgang Dittmann
6. K&T Thematurnier 2016, 1. Preis
a) -2 & #1, b) -2 & #2 VRZ Proca, Anticirce (10+8)

 

Huch, wie soll das denn funktionieren?? Ist nicht automatisch a) eine Kurzlösung von b)?? Da muss der große Retromeister sich aber schon etwas Besonderes ausgedacht haben, wenn das 1. nicht der Fall ist und 2. den Preisrichter Hanspeter Suwe so begeistert hat, dass er das Stück auf den 1. Platz gesetzt hat. (Hier gibt es Erläuterungen zum Verteidigungsrückzüger; zu Anticirce-Procas siehe z.B. die Einstimmung auf Andernach)

Vielleicht wollt ihr vor dem Weiterlesen einen Moment drüber nachdenken, wie das funktionieren könnte??

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