Retro der Woche 27/2020

Vor zwei Wochen hatte ich es bereits im Retro der Woche 25/2020 angekündigt, dass ich heute eine Beweispartie wiederum aus Phénix 2019 vorstellen möchte, die mit der dort gezeigten interessant zu vergleichen ist.

Michel Caillaud
Phénix 2019, Pascal Wassong gewidmet
Beweispartie in 20,5 Zügen (13+15)

 

Hier haben wir wiederum eine sehr „übersichtliche“ Menge an sichtbaren weißen Zügen: Genau zwei, mit denen der einzige fehlende schwarze Stein, [Ba7], geschlagen wurde. Bei Weiß fehlen [Lf1], [Bh2] sowie ein Springer. Besonders interessant ist natürlich der fehlende [Lf1], der ja nur zu Hause geschlagen worden sein kann.

Als Schläger bietet sich erst einmal der Se5 an – zählen wir die dann erforderlichen schwarzen Züge.

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Retro der Woche 25/2020

Heute und in zwei Wochen möchte ich euch jeweils eine interessante Beweispartie aus dem letzten Jahr vorstellen, die in Phénix veröffentlicht wurde. Beide sind hoch originell und haben thematische Ähnlichkeiten, die das Vergleichen doppelt interessant machen.

Pascal Wassong
Phénix 2019
Beweispartie in 19,5 Zügen (16+15)

 

Das Brett ist ziemlich voll: Es fehlt nur [Bd7], der offensichtlich auf d3 geschlagen wurde. Und dieser Schlagzug ist neben h3 der einzige sichtbare weiße Zug.

Aber das sollte uns jetzt im Löse-Sinne nicht beunruhigen, dass 18 weiße Züge noch frei sind: Umwandlungen können wir zwar auf beiden Seiten ausschließen, aber irgendwie muss ja sTh2 in den weißen Königsflügel gelangt sein…

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Retro der Woche 14/2020

Ende letzten Jahres wurde erstmals unter den Fittichen der Weltschachorganisation FIDE die Weltmeisterschaft im Schach-960 ausgetragen; es gewann — zumindest für mich überraschend — im Finale recht deutlich Wesley So gegen Magnus Carlsen.

Zur Erinnerung: Beim Schach-960 wird die Partieanfangsstellung der Offiziere ausgelost, dabei stehen die Läufer auf unterschiedlich farbigen Feldern und der König irgendwo zwischen den Türmen; die schwarzen Offiziere werden symmetrisch zu den weißen aufgebaut (z.B. wKf1, dann auch sKf8).

Die Rochaderegeln entsprechen dem Geist des Normalschachs: Felder zwischen den Start- und Zielfeldern von König und Turm müssen frei sein, die vom König beschrittenen dürfen nicht bedroht sein, König und Turm dürfen noch nicht gezogen haben. Die Rochadestellungen sind die aus dem Normalschach bekannten. Da die Bezeichnungen „kurze“ oder „lange“ Rochade hier keinen Sinn ergeben (schaut euch mal eine im Schach-960 mögliche Anfangssstellung mit Tb1Kc1Tg1 an!), spreche ich lieber von der c-Rochade und der g-Rochade; notiert wird wie üblich O-O-O für die c- und O-O für die g-Rochade.

Andrej Frolkin
Die Schwalbe 2010, 3. Lob, Per Olin gewidmet
Letzte 5 Einzelzüge? Erster Schlag von Weiß? Schach-960 (13+11)

 

Natürlich wollen wir nicht 960 verschiedene Anfangsstellungen untersuchen — denken wir also lieber etwas nach! Der weiße König steht im Schach, das im Normalschach nicht erklärt werden könnte. Hier aber ist klar, dass Schwarz gerade die c-Rochade gespielt hat, also haben wir für den „westlichen“ Turm und den König bereits die Anfangsstellung Tc1/8 und Kd1/8.

Alle fehlenden Steine sind durch Bauernschläge zu erklären: die fehlenden schwarzen durch f2xg3 sowie exdxcxbxa, gefolgt von a8=L; die fehlenden weißen durch c7xb6 und hxgxf.

Was hilft uns das für die Anfangsstellung?

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Retro der Woche 13/2020

Auch im Problemschach gibt es immer wieder die Jagd nach Rekorden – seien das etwa Häufungen bei Umwandlungen oder seien das Längenrekorde.

Auch für Beweispartien gibt es verschiedene Längenrekorde — heute möchte ich euch den aktuellen für schlagfreie vorstellen.

Thierry Le Gleuher
Phénix 1997, 3. ehrende Erwähnung
Beweispartie in 40,5 Zügen (16+16)

 

Dass die Aufgabe „nur“ eine ehrende Erwähnung erhielt, lag sicher auch daran, dass zu der Zeit der Längenrekord noch auf 43 Züge stand , der aber im Jahr 2019 gekocht wurde (siehe P0002554) — und damit rückte unsere heutige Aufgabe nach oben.

Natürlich entfallen hier Hilfen durch Doppelbauern, die es nicht geben kann, da noch „alle Mann an Bord“ sind. Dafür gibt es aber andere Anhaltspunkte, an denen wir uns bei der Lösungssuche orientieren können.

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Retro der Woche 09/2020

Schaut man einmal in die Retro-Abteilung des FIDE-Albums 1986-1988, des ersten mit dem bekannten blauen Einband, des ersten vom Team ellinghoven/Blondel produzierten Albums, so bemerkt man, dass von den 32 Retros nur vier (!) orthodoxe Beweispartien sind –- das war die Zeit, als die Beweispartien noch nicht die dominante Rolle spielten wie ab den 1990er Jahren.

Eine dieser vier Aufgaben stammt vom damals erst 22jährigen „Nachwuchstalent“ Kostas Prentos, der heute ein hochgeschätzter Komponist und Preisrichter sowie mein Kollege als Retro-Sachbearbeiter bei StrateGems ist.

Kostas Prentos
feenschach 1988, ehrende Erwähnung
Beweispartie in 18 Zügen (14+13)

 

Sicherlich fällt sofort der weiße König auf, der sich ins schwarze Lager vorgekämpft hat, um dort mattgesetzt zu werden.

Zählen wir die sichtbaren weißen Züge, so kommen wir nur auf 8+0+1+2+1+1=13 – es sind also noch fünf Züge frei. Das ist eine ganze Menge, aber wenn wir etwas genauer hinschauen, erkennen wir die sehr schnell:

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Zwischendurch 87

Eine hübsche, nette Kleinigkeit möchte ich euch heute vorstellen und euch zum Lösen einladen:

Mario Parrinello
R459 Probleemblad 2017
Beweispartie in 9 Zügen (16+16)

 

Dass das Stück etwas mit “Rochade” zu tun hat, muss ich sicher nicht erwähnen?

Wie immer kommt die Lösung in etwa einer Woche — und hier ist sie nun!

Lösung

Minimale schlagefrei Darstellung von echter langer und pseudo-kurzer Rochade.

Retro der Woche 52/2019

Im Retro der Woche 36/2019 hatte ich vom Murfatlar-Turniers anlässlich des diesjährigen WCCC in Vilnius berichtet: Dort waren Beweispartien mit der Bedingung „Duellantenschach“ gefordert. Ich hatte dort den ersten Preis hier vorgestellt, doch der wurde leider anschließend gekocht.

Nun möchte ich auf den zweiten Preis des modifizierten Preisberichts (dessen URL hat sich übrigens seit dem Retro der Woche 36/2019 geändert!) eingehen, der mir sehr interessant erscheint, weil er nämlich eine sehr typische Duellantenschach-Strategie thematisiert.

Michel Caillaud
Murfatlar Turnier 2019, 2. Preis
Beweispartie in 23 Zügen, Duellantenschach (15+14)

 

Noch einmal die Definition der Bedingung, entnommen dem Schwalbe-Lexikon: „Der einmal gewählte Stein des Startzuges einer Partei muss auch alle folgenden Züge seiner Partei bestreiten. Ist dies nicht mehr möglich, bringt ein neuer Startzug einen neuen Duellanten ins Spiel. Die Schachwirkung aller Steine bleibt normal erhalten.“ Alle Züge sind also auch unter den orthodoxen Schachregeln legal.

Während es in der Anfang September vorgestellten Aufgabe einige Schlagfälle gab, die, wenn der gerade aktive Duellant geschlagen wird, natürlich für eine ziemlich banale Art der Ablösung sorgen, geht es heute deutlich „strategischer“ zu.

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Retro der Woche 50/2019

Der Spanier Julio Sunyer (11. April 1888 – 27. November 1957) ist zwar nicht durch zahlenmäßig viele, aber durch hervorragende Retros bekannt geworden; seit den 1920er Jahren hat er großartige Retros veröffentlicht: hoch komplexe, aber auch sehr elegante. Wer kennt nicht seine Aufgabe aus The Chess Amateur 1923, wKh5, sKe8, -1(w+s), dann h#1? Nee, die Lösung schreibe ich nicht hin…

Julio Sunyer
Fairy Chess Review 1937
Matt in 2 Zügen (12+10)

 

Wie zur damaligen Zeit noch immer recht üblich versteckt sich die eigentliche Retro-Fragestellung hinter einer scheinbar rein orthodoxen Fragestellung, hier nach dem Matt in zwei Zügen. Aber allein schon die Quelle verrät ja, dass dem offensichtlich nicht so ist…

Nach dem ziemlich nahe liegenden 1.Dxa4 kann sich Schwarz mit 0-0 verteidigen – so denn die Rochade zulässig ist?! Und das ist natürlich die eigentliche Fragestellung dieser Aufgabe.

Gehen wir das Stück also wie bei Retros üblich mit einer Analyse der Schlagfälle an:

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