Retro der Woche 17/2016

Im April-Heft der Schwalbe ist bereits der Preisbericht der Retros aus dem Jahre 2014 von Kostas Prentos erschienen; ein Stück daraus möchte ich heute vorstellen.

Silvio Baier
Die Schwalbe 2014, 2. Preis
Beweispartie in 27 Zügen (14+13)

 

Auf beiden Seiten fehlen nur Bauern, und sofort sieht man sowohl für Weiß als auch für Schwarz jeweils zwei Schläge durch Bauern: Weiß hat exf und hxg gespielt, bei Schwarz sehen wir exf6 und dxe6.

Mit diesen vier Schlagzügen können keine Bauern geschlagen worden sein – damit wissen wir schon jetzt, dass es (mindestens) zwei weiße und zwei Schwarze Umwandlungen gegeben haben muss.

Können wir auch schon etwas über den dritten Schlag durch Weiß sagen?

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Retro der Woche 15/2016

Nicht nur die neueste Schwalbe bietet viel Lesestoff für uns Retrofreunde, auch die neue Ausgabe von StrateGems (April-Juni 2016): Neben dem reichhaltigen Urdruckteil gibt es den fünften Teil von Silvio Baier, Nicolas Dupont und Roberto Osorio über Weiterentwicklungen der „future proof games“, bei denen mindestens zwei Themen doppelt gesetzt sind. (Die Fortsetzung dieser Reihe, die für jeden Retrofreund, vor allen Dingen jeden Preisrichter ein „Muss“ ist, wird im Januar 2017 starten.)

Dieser Teil mit insgesamt 23 Aufgaben enthält drei Urdrucke, zwei davon von Nicolas, der in diesem Jahr Beweispartie-Preisrichter bei StrateGems ist; eine davon wollen wir uns heute anschauen.

Nicolas Dupont
StrateGems 2016
Beweispartie in 25,5 Zügen (14+13)

 

Man sieht sofort, dass nur Bauern im Diagramm fehlen, die jeweils beiden Doppelbauern konnten aber nicht durch Schlag dieser fehlenden Bauern entstanden sein. Damit wissen wir schon jetzt, dass wir in der Lösung vier Umwandlungen zu erwarten haben – so überraschend ist dies angesichts des Erscheinungsort dieser Aufgabe im Aufsatz natürlich nicht.

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Retro der Woche 12/2016

Im letzten Retro der Woche hatten wir uns den Rundlauf einer Dame angeschaut; er war motiviert dadurch, dass kein anderer Stein ein Tempo verlieren konnte. Dadurch war sie gezwungen, sich auf eine lange und verwickelte Tour zu begeben, bei ihrem Tempoverlust nicht den gegnerischen König zu stören.

Die heutige Aufgabe betrachtet das gleiche Thema quasi von der anderen Seite: Heute ist es ein König, der als einziger weißer Stein in der Lage ist, ein Tempo zu verlieren; sein pendelfreier Rundlauf ist sogar noch länger als der der Dame in der letzten Woche.

Unto Heinonen
The Problemist 1992 (Version)
Beweispartie in 26 Zügen (12+15)

 

Sofort fällt im Diagramm einerseits das Schachgebot gegen den weißen König auf und andererseits der zweite weißfeldrige schwarze Läufer, der also durch Umwandlung entstanden ist.

Bevor wir uns fragen, was uns diese beiden Tatsachen bei der Lösungsfindung helfen, sollten wir versuchen, die offensichtlichen schwarzen Züge zu zählen, dabei zähle ich den Umwandlungsläufer mit bei den Bauern: 4+2+2+4+1+11=24. Also hat Schwarz noch zwei Züge frei?

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Retro der Woche 10/2016

Einer meiner Lieblings-Autoren klassischer Auflöse-Retros ist Sergej Leonidowitsch Wolobujew: Hier hatte ich bereits in zwei Retros der Woche, nämlich 05/2013 sowie 12/2014, Aufgaben von ihm vorgestellt. Darüber hinaus hatte ich nach meinem Vortrag in Andernach 2011 in feenschach 187 (Juni 2911), S. 109 ff. einige Aufgaben von ihm vorgeführt.

Nach fast zwei Jahren scheint es mir an der Zeit, hier eine weitere Aufgabe von Sergej Wolobujew vorzustellen.

Sergej Wolobujew
Schachmatnaja komposizija 1992, 4. Preis
Ist die Mattstellung legal? (13+11)

 

Betrachten wir zunächst wie üblich die Schlagbilanz: Weiß hat beide schwarzen Läufer zu Hause geschlagen, ferner sieht man die Schläge axXb3 und fxYg3. Das Schach des Lf2 gegen den sK kann ebenfalls nur durch einen Schlagzug (Lg1xZf2+) erfolgt sein – damit sind alle fehlenden schwarzen Steine erklärt.

Schwarz hat [Lf1] zu Hause geschlagen. sBc2 kann nur mittels zweier Schlagfälle auf sein Diagrammfeld gelangt sein. Damit kann er [Ba7] oder [Bc7] sein; können wir das bereits entscheiden?

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Retro der Woche 6/2016

Korrektur 14.3.22: Geburtsjahr von Ivan

Recht ungewöhnlich ist es, wenn Vater und Sohn gemeinsam komponieren. Die Makedonier Gligor (*20.8.1946, † 15.01.2015, siehe Retro der Woche 35/2015) und Ivan (*22.3.1973) Denkovski haben gemeinsam nicht nur Retros, sondern auch Hilfsmatts gebaut.

Eine ihrer gemeinsamen Beweispartien habe ich für heute herausgesucht.

Gligor & Ivan Denkovski
Die Schwalbe 2009, 4. ehr. Erw.
Beweispartie in 25,5 Zügen (15+16)

 

Kann man anhand der Diagrammstellung schon thematische Inhalte der Aufgabe erkennen? Hier geht das: Betrachten wir, welcher weiße Stein fehlt ([Bg2], so kann der nicht direkt geschlagen worden sein. Schwarz verfügt zwar über einen Doppelbauern, aber auf der h-Linie kann [Bg2] nicht verschwunden sein, da Schwarz noch „alle Mann an Bord hat“, Weiß also nicht schlagen konnte. Also muss [Bg2] auf g8 umgewandelt haben.

Dass [Sg8] gezogen haben muss, ist allerdings schon durch die Stellung der schwarzen Türme klar. Aber können wir bereits entscheiden, ob es sich bei der Umwandlung um einen „Ceriani-Frolkin“ oder einen „Phoenix“ gehandelt hat? Auch das können wir:

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Retro der Woche 01/2016

Vielleicht habt ihr in den letzten freien Tagen auch einmal tun und lassen können, was ihr wolltet — und euch dann am Ende des Tages gefragt, wo die Zeit denn geblieben sei? So ungefähr könnte es dem Weißen in der heutigen Beweispartie auch gegangen sein, wenn er in der Schlussstellung überlegt, was er eigentlich die ganz Zeit gemacht hat?!

Rustam Ubaidullajew & Igor Wereschtschagin
The Problemist 2005-2006, 4. Preis
Beweispartie in 20.5 Zügen (13+14)

 

Bei Weiß fehlen ein Bauer und die beiden Springer, bei Schwarz zwei Bauern. Nur zwei weiße Züge können wir im Diagramm sehen, und die schwarzen wollen wir fix zählen und dann auch einige Überlegungen zur Reihenfolge der Züge anstellen.

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Retro der Woche 50/2015

Heute möchte ich euch den ersten Preis des The Problemist Retro-Turniers 1989-1990 zeigen; den dritten und zweiten Preis kennt ihr ja schon aus den letzten beiden Beiträgen dieser Rubrik.

Heute sehen wir eine der seltenen Beweispartien mit mehr als einer Lösung. Ein Grund für die Seltenheit ist sicher die schwierige Konstruktion: Kann man bei einem Hilfsmatt, einer direkten Aufgabe meist noch zur Not irgendeinen „Cookstopper“ aufstellen, ist dies bei Retros ungleich schwerer, da ja für jeden einzelnen Stein Rechenschaft abgelegt werden muss — ein Grund, weshalb Wolfgang Dittmann beispielsweise in Zweifel zog, dass es in Retros (sieht man von einigen Hilfsrückzügern der Art „Weiß nimmt einen Zug zurück, dann matt in zwei Zügen“ ab) überhaupt Nachtwächter geben könne.

Peter Wong
The Problemist 1990, 1. Preis (1998-1990)
Beweispartie in 17 Zügen, zwei Lösungen (13+14)

 

Bei Weiß fehlen, um mit der Inventur zu beginnen, [Dd1], [Bh2] sowie ein weiterer Bauer (das muss nicht unbedingt [Bc2] gewesen sein, da der auch geschlagen haben könnte). Bei Schwarz fehlen [Dd8] sowie ein Turm. Nur ein einziger fehlender weißer Stein ist durch die Bauernstruktur erklärt.

Zählen wir nun die sichtbaren Züge bei Weiß: 4+0+2+3+3+2=14; bei Schwarz: 2+0+2+2+2+5=13. Aber für das Zählen sollte man auch bei den vielen Königszügen mögliche Rochaden im Auge behalten.

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Retro der Woche 48/2015

Heute möchte ich etwa 25 Jahre zurück gehen und eine Aufgabe vorstellen, die mir als ich sie zum ersten Mal gesehen hatte, sofort sehr gut gefallen hatte. Ich könnte mir vorstellen, dass es euch ähnlich geht.

Im heutigen Diagramm scheint ein wenig schwarze Farbe zu fehlen — da müssen wir also selbst nachhelfen und zunächst 15 oder 16 Steine (es fehlt a insgesamt nur ein Klotz) schwarz färben, um dann in der „korrigierten“ Stellung die Beweispartie zu lösen.

Andrej Frolkin
The Problemist 1989, 3. Preis (1998-1990)
Färbe für eine Beweispartie in 17,5 Zügen (31+0)

 

Schauen wir uns die Bauernstruktur an, so sehen wir nur auf der e-Linie drei Bauern und auf der f-Linie einen. Damit ist klar, dass die fehlende Dame mittels fxe geschlagen wurde, dass Bf2 von anderer Farbe als der Schläger sein muss.

Wir haben also ganz sicher auf der e-Linie entweder zwei weiße Bauern — dann ist Bf2 schwarz — oder zwei schwarze Bauern, und dann ist Bf2 weiß. Nun betrachten wir die beiden Alternativen genauer.

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