Quartz 40

Vor einigen Tagen ist die 40. Ausgabe von Quartz zum Download bereitgestellt worden. Neben Hilfsmatt- und Märchen-Preisberichten findet sich darin eine größere Übersicht von „some astonishing proof games“, zusammengestellt von Paul Raican.

Darin berichtet er u.a. vom Weihnachtsturnier 2007/2008 von France-Echecs, das Beweispartien mit der Märchenbedingung Lortap forderte. Die Bedingung ist leicht zu definieren: Ein Stein kann nur schlagen, wenn er nicht von Steinen seiner Farbe beobachtet ist. (Das ist sozusagen Anti-Patrol-Schach, und daraus ergibt sich auch der Name.)

Den ersten Preis möchte ich euch vorstellen und zum Studieren empfehlen.

Michel Caillaud & Nicolas Dupont
France-Echecs Weihnachtsturnier I/2008 , 1. Preis
Beweispartie in 20 Zügen, Lortap (13+15)

 

Schwarz hat im Diagramm beinahe seine Partieausgangsstellung – und genau die Abweichung davon ist thematisch, denn wie kann unter der Lortap-Bedingung der Schag e7:Xf6 erfolgt sein? Dafür müssen die Steine auf d8 bis g8 verschwunden sein, denn sie decken alle e7 und verhindern damit diesen Schlag – also ein „Kampf gegen die Bedingung“, die hier offensichtlich nicht der Konstruktionserleichterung dient, sondern im Gegenteil das Lösungsgeschehen komplett bestimmt.

Man erkennt schnell, dass [sLf8] zu Hause geschlagen worden sein muss, denn er kann sich allein nicht der Beobachtung von e7 entziehen – wir wissen also schon, dass auf f8 ein Pronkin-Läufer, entstanden aus [sBh7], steht. Die drei anderen Steine müssen weg und wieder zurück gezogen haben.

Damit steht für das schwarze Spiel schon eine Menge fest; das weiße ist, wie bei zwei so exzellenten Verfassern nicht anders zu erwarten, auch sehr trickreich. Oder hättet ihr auch bei Weiß sofort eine Rückkehr und einen Geschwister-Stein vermutet?

1.d3 h5 2.Dd2 h4 3.Dh6 h3 4.Dh7 Sh6 5.Dg8 hxg2 6.Dxf8+ Txf8 7.h4 Th8 8.Th3 Kf8 9.Tf3 Kg8 10.Tf6 Kh7 11.f4 Dg8 12.Sf3 g1=L 13.Lh3 exf6 14.Lg4 Lc5 15.Le3 Dd8 16.Sbd2 Kg8 17.OOO Kf8 18.Th1 Ke8 19.Sg1 Lf8 20.Lc5 Sg8.

Eine tolle Demonstration der Möglichkeiten dieser Märchenbedingung, wie ich finde!

Retro der Woche 33/2014

Heute möchte ich euch eine „rätselhafte“ Beweispartie vorstellen, die sicherlich nicht ganz leicht zu lösen ist, die mir sehr gut gefällt wegen ihres Themas.

Wer die Aufgaben von Thierry ein wenig kennt, könnte vielleicht schon zumindest die Richtung des Inhaltes erraten? Und diese mögliche Vermutung wird ja noch durch die Diagrammposition verstärkt: Es könnte irgend etwas mit Rochade zu tun haben?!

Thierry Le Gleuher
British Chess Magazine 1993, 2. ehrende Erwähnung
Beweispartie in 24 Zügen (15+15)

 

Zunächst einmal bietet die Stellung keine besonderen Anhaltspunkte: Besonders spektakulär sind die geschehenen Schlagfälle nicht, dass sie sofort einen Großteil der Lösung verraten: Der [wLc1] als einziger fehlender weißer Stein wurde auf f6 geschlagen, und somit bleibt für den einzigen fehlenden schwarzen Stein, den [sBc7] nur, dass er auf seiner Linie von einem weißen Offizier geschlagen wurde.

Nun sollten wir uns wie üblich mit der minimalen Zügezahl zumindest einer Partei beschäftigen:

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Bonavoglia-60 Turnier

Wer heute keine Lust auf Fußball hat oder sich einfach nur entspannt auf das wahrscheinlich hochsommerliche Wochenende einstimmen will, dem empfehle ich, einen Blick in die neueste Ausgabe von Best Problems zu werden: Dort findet ihr u.a. den Preisbericht zum Marco-Bonavoglia-60 Geburtstagsturnier, in dem Beweispartien mit mehreren Lösungen gefordert waren, die zweifarbige Strategie zeigen. Zwar gab es nur 14 Einsendungen, aber der Jubilar, der selbst richtete, ist mit der Qualität sehr zufrieden; er hat immerhin neun Aufgaben ausgezeichnet.

Hier zeige ich den ersten Preis:

Michel Caillaud
Marco Bonavoglia 60 Turnier 2014, 1. Preis
Beweispartie in 12,5 Zügen, 2 Lösungen (15+14)

 

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Retro der Woche 24/2014

In meinem kurzen Andernach-Bericht hatte ich auch die beiden neuen feenschach-Hefte erwähnt sowie den Artikel von Nicolas Dupont. Darin schreibt er über 57 Task-Darstellungen, die er sich wünscht, die aber noch nicht realisiert sind und zeigt dabei 62 Beweispartien, die „knapp dran“ sind.

Eines dieser Stücke, schon ein älteres, möchte ich euch heute zeigen.

Andrej Frolkin
Die Schwalbe 1990
Beweispartie in 19 Zügen (14+15)

 

Wenn man sich anschaut, wie und wo die Umwandlungstürme entstanden sind, ist die Lösung sicherlich gar nicht mehr so schwer.

Zunächst einmal stellen wir fest, dass die beiden c-Bauern die einzigen Bauern sind, die im Diagramm fehlen; sie also müssen umgewandelt haben. Das können sie wegen der eingemauerten Damenläufern aber nicht auf ihrer Reihe. Wo sonst?

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Retro der Woche 22/2014

Thematisch sehr interessant, aber gar nicht so einfach zu lösen erscheint mir die Aufgabe, die ich heute als „Retro der Woche“ vorstellen möchte: Woran liegt die Löseschwierigkeit?

 

Andrej Frolkin
Die Schwalbe 1994, 1. ehrende Erwähnung
Beweispartie in 23.5 Zügen (14+12)

 

Schauen wir uns zunächst einmal offensichtliche Schlagfälle an: Bei sechs fehlenden Steinen haben wir im Diagramm nur ein einziger Doppelbauer, der einen Schlag Bb2xXc3 verrät. Bei genauerem Hinschauen sehen wir allerdings, das [wLf1] zu Hause geschlagen worden sein muss, Und auch das Schachgebot kann nur durch einen Schlag entstanden sein – wenn man genauer hinschaut gar nur durch zwei: Td8 kann nicht selbst auf dieses Feld gezogen haben, also muss der letzte Zug Be7xXd8+ gewesen sein – und dieser Bauer kann nur [wBf2] sein, so dass er für zwei Schläge steht. Bleiben also noch zwei Schläge offen.

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Am Puls der Zeit

Seit ein paar Tagen gibt es im Forum von MatPlus.net eine interessante Diskussion über neue Märchenbedingungen — hauptsächlich um Lokomotivenschach, wo ein ziehender Stein alle Steine “hinter sich” auf seinem Zugvektor mitzieht.

Erfreulicherweise gibt es auch sofort ein paar Beweispartien mit dieser neuen Bedingung; eine möchte ich hier vorstellen, um euch ein erstes Gefühl für die unglaublichen dynamischen Möglichkeiten mit dieser Bedingung zu zeigen.

Kevin Begley
Mat Plus Forum 204
Beweispartie in 5 Zügen, Lokomotivenschach (16+14)

 

Die intendierte Lösung (ist das korrekt??) ist 1.e4 [wK>e3] Sf6 2. Ke2 [wBe4>e3, sBe7>e6, sKe8>e7] Se8 [wBh2>g4] 3.Ke1 [wBe3>e2, sBe6>e5, sKe7>e6, sSe8>e7] Sf5 4.gxf5+ Ke7 [sBe5>e6, wBe2>e3, wKe>e2] 5.fxe6 Ke8 [wBe6>e7, wBe3>e4, wKe2>e3.

Spannend sind auch die Diskussionen im Zusammenhang mit Rochade und en passant: Ich kann es euch nur empfehlen, die interessanten Beiträge zu verfolgen — oder noch besser: Euch selbst zu beteiligen…

Retro der Woche 21/2014

Im letzten Retro der Woche hatten wir über Betrügerbauern gesprochen, die aus retroanalystischen Gründen wohl von der Linie kommen könnten, auf der sie stehen, unter dem Zeitdruck einer kürzesten Beweispartie allerdings von einer anderen Linie kommen müssen.

Neben der Diskussion hier im Blog erhielt ich auch mehrere Mails zu diesem Thema. So verwies beispielsweise Werner Keym auf unsere heutige Aufgabe und fragte, ob man das Thema nicht Betrügerrochade nennen könne, solle?

 

Edgar Fielder
Fairy Chess Review 1941
Darf Schwarz rochieren? (13+10)

 

Betrachten wir zunächst einmal die erforderlichen Schlagfälle: Der schwarze Tripelbauer auf der c-Linie erklärt die fehlenden weißen Steine, und untere denen muss auch [wBf2] sein. Der aber kann nicht direkt geschlagen worden sein, sondern muss sich umgewandelt haben. Das muss auf b8 passiert sein: Dafür sind vier Schlage erforderlich; zusätzlich gab es noch e2xd3, und [sLf8] wurde wegen der Bauernkonstellation zu Hause geschlagen.
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Retro der Woche 17/2014

Auch wenn es auf den ersten Blick nicht so ausschaut: Die Diagrammstellung des heutigen Oster-Problems verrät schon eine Menge über die Lösung, wenn man genau hinschaut:

 

Silvio Baier
StrateGems 2012, 4. ehr. Erw.
Beweispartie in 18,5 Zügen (12+15)

 

Bei Weiß fällt neben der Homebase-Stellung (alle vorhandenen Steine befinden sich auf ihrem Feld der Partieausgangsstellung) sofort auf, dass neben den a- und b-Bauern (und offensichtlich dem g-Bauern) die weiße Dame fehlt.

Das scheint noch nicht allzu viel zu helfen; versuchen wir weiter zu kommen, wenn wir die schwarzen Züge gezählt haben. Das sind mindestens 18 (2xK, 1xD, 4xT, 2xL, 2xS, 7xB), und da Schwarz auch nur 18 Züge machen konnte, auch genau 18.

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