Retro der Woche 20/2018

Nachdem ich vor einigen Tagen auf das Wolobujew-60-Turnier hingewiesen habe, möchte ich heute mal wieder eine Aufgabe dieses Autors zeigen. Und das auch, weil heute zum „Andernach-Wochenende“ gehört, und vor sieben Jahren habe ich in Andernach diese Aufgabe in einem kleinen Vortrag vorgestellt. Wer mag, kann den erweiterten Vortrag in feenschach 187 (Juli 2011), Seite 109-113 nachlesen.

Sergej Wolobujew
Redkije schanry pljus 1994, 1.-2. Preis
Löse die Stellung auf! (9+14)

 

Das Stück findet sich auch im FIDE-Album und hat dort 11,5 Punkte erhalten; wir können uns also auf eine Delikatesse freuen!

Eine Besonderheit dieser Aufgabe fällt bereits auf, wenn wir uns die Diagrammstellung unter dem Gesichtspunkt der Schlagfälle anschauen: Da stellen wir nämlich fest, dass Weiß entweder axba6 geschlagen hat oder dxc(e)xd. Bei Schwarz sind direkt fünf Schläge im Diagramm sichtbar: LxXf7+ (damit wissen wir auch, dass Schwarz mit der Rücknahme beginnen muss, ob er will oder nicht) sowie bxc, cxd, exf und gxh. Hinzu kommt die Notwendigkeit, wBa7 oder wBd6 durchgelassen zu haben, also entweder axbxa oder dxc(e)xd. Und damit sind auch alle Schlagzüge durch Schwarz verbraucht.

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Retro der Woche 10/2018

Hans Gruber leitete seinen Probleemblad Retro-Preisbericht für 2015-2016 wie folgt ein: “The tournament was very strong, most problems were on a quite high level, many proof games were outstanding. The prizewinners are exceptional, and the only drawback was that they competed against each other.”

Da können wir natürlich in seinem Bericht hervorragende Aufgaben erwarten, und heute möchte ich euch gleich den ersten Preis dieses Turniers vorstellen.

Michel Caillaud
Probleemblad 2015-2016, 1. Preis
Beweispartie in 26 Zügen (14+12)

 

Preisrichter Hans Gruber: “A fascinating proof game, showing an unbelievably complex theme in a wonderful and beautiful setting.” Von dem Thema ist auf den ersten Blick noch nichts zu erahnen, die Stellung verrät noch nicht allzu viel. Auf beiden Seiten ist genau ein Bauernschlag zu sehen, nämlich hxg3 bzw. hxg6. Das Zählen der sichtbaren schwarzen Züge ist damit auch schon beendet, und auch das bei Weiß bringt uns noch nicht viel weiter: 1+2+4+4+4+4=19 — da bleiben also noch sieben übrig.

Auffällig ist allerdings der fehlende [Lc8], der offensichtlich zu Hause geschlagen werden musste. Dass darüber hinaus auch [Dd8], [Th8] und [Bc7] verschwinden mussten, nehmen wir erst einmal zur Kenntnis, ohne noch zu ahnen, ob uns das weiterhelfen kann.

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Retro der Woche 09/2018

Als ich das Retro-Informalturnier 2014 in Phénix richtete, stand meine Entscheidung für den ersten Preis sehr schnell fest. Die beiden anderen Preise waren sehr gute Beweispartien, die ich schon in den Retros der Woche 53/2015 (2. Preis von Roberto Osorio) und 08/2016 (3. Preis von Nicolas Dupont) vorgestellt hatte.

Gianni Donati
Phénix 2014, 1. Preis
Geringste Zahl an wK-Zügen? (11+14)

 

Schnell sieht man natürlich, dass der schwarze König matt ist, dass die Matt gebende Dame im letzten Zug geschlagen haben muss. Doch bevor wir untersuchen, was auf h3 geschlagen worden ist, betrachten wir die seltsam dislozierten und eingeklemmten Läufer: Wie können die eigentlich nach Hause gespielt werden? wLa2 können wir beispielsweise nur nach f1 bringen, nachdem wir b2-b3 zurückgenommen haben, also muss vorher bereits [Lc1] zu Hause sein.

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Retro der Woche 01/2018

Mit einem klassischen Retro möchte ich das neue Jahr begrüßen und mit euch versuchen zu ergründen, wie man die Aufgabe lösen kann: Viele tun sich gerade mit dem Lösen solcher Stücke recht schwer. Dabei kann man gerade hier durch logisches Überlegen schon sehr weit kommen!

Andrej Kornilow (4.5.1944–14.11.2011) aus Moskau war ein großartiger Komponist überwiegend klassischer Retros — nutzt einmal hier im Blog die Suchfunktion, und ihr werdet noch einige von ihm finden, teilweise in Kooperation mit Andrej Frolkin.

Andrej Kornilow
Schacholympiade 2010, 2. Preis
Letzter Zug? (13+11)

 

„Natürlich“ hat im letzten Zug die weiße Dame von b1 nach a1 gezogen: Anders lässt sich das Schachgebot nicht erklären. Nun ist natürlich die Frage, ob sie dabei geschlagen hat und wenn, dann welchen Stein?

Das können wir noch nicht endgültig beantworten, wenn wir uns die Schlagbilanz des Weißen angeschaut haben: Bei Schwarz fehlen fünf Steine, aber im Diagramm sichtbar sind „nur“ vier: axb, bxc3, fxe3 sowie hxg3.

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Retro der Woche 52/2017

Für heute habe ich eine recht kurze Beweispartie herausgesucht: nur 16 Züge. Das liest sich zuerst beinahe wie eine Aufgabe „für zwischendurch“, aber ganz so einfach erscheint mir das Stück nun doch nicht zu lösen zu sein — speziell, wenn man das Thema in dem Turnier nicht kennt.

Igor Wereschtschagin , Version Rustam Ubaidullajew
Champagne-Turnier 2013, Preis
Beweispartie in 16 Zügen (14+13)

 

Champagne-Turnier: Da macht es sicher bei dem Einen oder Anderen von euch „klick“?! Richtig, das sind die schon seit vielen Jahren von Michel Caillaud ausgerichteten Retro-Turniere bei den Weltkongressen für Schachkomposition (WCCC) — die Ergebnisse des diesjährigen Champagne-Turnier aus Dresden hatte ich in den Retros der Woche 33/2017 und 34/2017 vorgestellt.

Bei der heutige Aufgabe hilft das Zählen der sichtbaren Bauernschläge zunächst nicht sonderlich weiter: Wir sehen nur einen weißen Doppelbauern auf der a-Linie. Also sollten wir nach anderen möglicherweise auffälligen Merkmalen der Diagrammstellung Ausschau halten.

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Retro der Woche 51/2017

Ich bin immer wieder erstaunt und begeistert, welch tiefe Retroanalysen in Aufgaben unter der Bedingung „monochromes Schach“ möglich sind. Wir erinnern uns: Hier sind nur Züge erlaubt, in denen Ausgangs- und Zielfeld eines Zuges dieselbe Farbe haben. Daraus leitet sich beispielsweise ab, dass Springer nicht ziehen können.

Ein großer Meister monochromer Retros ist René Jean Millour; ein Beispiel haben wir im Retro der Woche 22/2017 betrachtet. Auch das heutige Stück verblüfft wieder mit einer lockeren Stellung und ganz überraschenden Fragen, die dann eindeutig beantwortet werden können.

René J. Millour
Die Schwalbe 1991, H.H. Schmitz und M. Seidel gewidmet, 4. Preis
monochromes Schach: wo wurden sLc8 und wTh1 geschlagen? (3+8)

 

Bei der Darstellung des Lösungsweges orientiere ich mich stark an der Beschreibung des Autors in seinem Buch „Subtleties on 64 Squares“ (Editions FEE=NIX 2015 — wenn ihr noch ein Weihnachtsgeschenk für euch selbst sucht…).

Klar ist, dass alle vier Springer zu Hause geschlagen wurden; ebenso klar ist, dass beide Könige, um loszumarschieren, (kurz) rochieren mussten — die lange ist ja nicht möglich, da der Turm seine Feldfarbe ändern würde.

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Retro der Woche 37/2017

Aus Dresden vom WCCC habe ich mir das „Ukraine-Album“ 2004 bis 2006 mitgebracht – eine sehr schöne Problemsammlung! Bei Retros aus der Ukraine fällt einem natürlich sofort Andrej Frolkin ein. Ratet einmal, an wie vielen der dort nachgedruckten 37 Retros er als Autor beteiligt ist?

Eine seiner dort nachgedruckten Koproduktionen mit Kostas Prentos habe ich daraus für heute ausgesucht.

Andrej Frolkin & Kostas Prentos
Thema Danicum 2005, 1. Preis
Beweispartie in 21,5 Zügen (13+14)

 

Das Zählen der offensichtlichen weißen Züge (0+0+3+0+0+1=4) bringt uns zunächst nicht weiter. Auch bei Schwarz sehen wir nicht alle Züge: 1+2+5+2+2+5=17 – auch dort sind noch vier Züge frei. Aber damit kommen wir schon weiter, wenn wir die geschehenen Züge, mögliche Schlagfälle und fehlende Steine betrachten.

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Retro der Woche 35/2017

Während des WCCC in Dresden ist das FIDE-Album 2010-2012 erschienen. Die Retros sind dieses Mal „nur“ mit 63 Aufgaben vertreten, aber das sind 63 Knüller -– ich kann euch das Album natürlich auch wegen der anderen Rubriken nur ans Herz legen.

Ein Stück möchte ich dabei heute herausgreifen, das mich einfach ob seiner Eleganz begeistert.

Silvio Baier
Orbit 2010
Beweispartie in 18 Zügen (13+13)

 

Sofort fällt die weiße Homebase Position auf, sodass wir im Moment noch nichts über geschehene weiße Züge aussagen können.

Anders schaut es bei Schwarz aus: Hier zählen wir 4+2+5+0+0+5=16 Züge; zwei schwarze Züge sind also frei. Wirklich?

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