Retro der Woche 32/2024

Gelegentlich schreibe ich Beiträge für die Retros der Woche „am Stück“, etwa wenn es um die Besprechung mehrerer Aufgaben aus einem Turnier geht. Für heute hatte ich nicht auf Vorrat geschrieben – in der Hoffnung, dass rechtzeitig zumindest einer der Preisberichte zu den beiden Retro-Thematurnieren beim WCCC in Jūrmala fertig würde.

Und die Hoffnung hat nicht getrogen, wie der am Donnerstag veröffentlichte Preisbericht des 7. Murfatlar-Turniers zeigte. Hier waren Beweispartien mit der Bedingung „Anticirce“ gefordert, optional mit einer weiteren Märchenbedingung. Heute möchte ich mit euch die bestplatzierte Aufgabe der „orthodoxen Abteilung“ (für dieses Turnier – keine weiteren Bedingungen) anschauen.

Zur Erinnerung: Bei Anticirce verschwindet das Schlagopfer ganz orthodox; der Schlagtäter hingegen wird gemäß den Circe-Regeln auf seinem Partieursprungsfeld wiedergeboren. Ist dieses besetzt, so ist der Schlag nicht möglich.

Michel Caillaud
7. Murfatlar-Thematurnier 2024, 1. Preis Abt. A
Beweispartie in 12,5 Zügen, Anticirce – 2 Lösungen (12+16)

 

Bei Weiß lohnt es, die Züge zu zählen 0+2+4+3+2+2=13 – alle weißen Züge sind erklärt. Das heißt auf der anderen Seite, dass alle fehlenden weißen Steine, das sind [Ba2], [Bd2], [Be2] und [Bh2], zu Hause geschlagen wurden, da für sie keine Züge zur Verfügung stehen.

Und dann hilft uns auch die Parteianfangsstellung bei Schwarz weiter: Hier können wir nälich erste Überlegungen zu den schwarzen Schlagtätern anstellen.

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Reto-Aschwanden-50-Turnier

Reto Aschwanden hat anlässlich seinen bevorstehenden runden Geburtstags ein Turnier für orthodoxe Beweispartien ausgeschrieben, in dem es um “grand finales” geht — da solltet ihr eure Fantasie walten lassen.

Einsendungen bis zum 31. Dezember 2024 an mich als Turnierdirektor; Reto ist Preisrichter, und er hat für das Turnier ein Preisgeld von 500 EUR bereitgestellt.

Euch wünsche ich viel Spaß und Erfolg beim Komponieren!

Ausschreibung Champagne-Turnier 2024

Michel Caillaud schreibt wieder das traditionelle Champagne-Turnier zum WCCC aus: In zwei Abteilungen (Beweispartien und andere Retros) ist als Thema zum Gedenken an Peter van den Heuvel gefordert: “Ein Stein folgt einem Stein der anderen Farbe auf mindestens zwei Felder”. Details können der Ausschreibung entnommen werden.

Das Turnier ist auch für Nicht-Teilnehmer des WCCC offen; Einsendeschluss ist der 30. Juli 2024 20:00 Uhr. Für jede Abteilung sind maximal zwei Aufgaben pro Autor (Co-Autorschaft zählt voll) zugelassen, es darf maximal eine nicht Computer-geprüfte Beweispartie eingesendet werden. In beiden Abteilungen sind Märchenbedingungen erlaubt.

Viel Spaß und Erfolg beim Komponieren!

6. Murfatlar Thematurnier

Das 65. WCCC (World Congress of Chess Composition) findet vo 2. bis zum 9. September in Batumi, Georgien, statt es wirft nun deutlich seine Schatten voraus Etwa durch die Ankündigung des inzwischen schon traditionellen Murfatlar Theaturnier für Beweispartien.

Das Thema in diesem Jahr bezieht sich im Ausschreibungstext explizit auf das 5 Retroblog Thematurnier 2020, dem sind auch die beiden Beispielaufgaben entnommen (siehe die Ausschreibung und den Preisbericht)

Gefordert sind also Beweispartien mit “fuddled men” eine zusätzliche Märchenbedingung ist erlaubt.

Schickt eure Originale bis zum 2. September 2023 (dem Starttag des WCCC) an Paul Rãican (Mail: quarpaz1(at)yahoo.fr), der auch Preisrichter ist. Noch in Batumi soll der Preisbericht vorgestellt werden; i Turnier gibt es Bücher zu gewinnen.

Viel Spaß und Erfolg wüsche ich euch!

Retro der Woche 08/2023

Ach wie gut, dass Schach, dass besonders Problemschach so seriös ist! Ach wie gut, dass auf dem Schachbrett keine vom Alkohol geförderten Feierexzesse, wie wir sie gerade in den Karnevalshochburgen nicht nur am Rhein erleben, denkbar sind!

Wirklich nicht? Spätestes 1987 hat auch das Problemschach seine alkoholische Unschuld verloren, als John Beasley entdeckte, dass auch Schachfiguren Alkoholprobleme haben könnten — Beasley nannte sie deswegen „fuddled men“ — beschwipste Steine: Sie sind dann nach einem eigenen Zug so angeschlagen, dass sie erst einmal einen Zug „Auszeit“ nehmen müssen — wahrscheinlich sich an einem Laternenpfahl festhaltend. In dieser Zeit können sie auch den gegnerischen König nicht bedrohen.

Irgendwann entdeckte Bernd Gräfrath, dass man die beschwipsten Steine überreden konnte, bei Beweispartien mitzuwirken — die Folge davon war ein Artikel hier im Blog, der mit der Ausschreibung des 5. Retroblog-Thematurniers verbunden war.

Und aus diesem Thematurnier, dessen Preisbericht am 10.4.2020, nicht einmal zwei Wochen nach dem Einsendeschluss, erschien, möchte ich am Karnevalssonntag das Preisproblem zitieren.

Michel Caillaud
5. Retroblog-Thematurnier 2020, Preis
Beweispartie in 23,5 Zügen, Fuddled men (15+15)

 

Der fehlende weiße Stein ist offenbar Bg2, er wurde auf c6 geschlagen. Offenbar nicht direkt, [Bg2] muss also umgewandelt haben, um sich selbst schlagen zu lassen oder das weiße Schlagopfer zu ersetzen.

„Klar, sieht man doch: 24.gxh8=T+!“ sagt uns das orthodoxe Auge, um beim zweiten Blick festzustellen, dass das illegal wäre — und das sogar aus mehreren Gründen: Bei Schwarz fehlt nur Lc8 — der aber kann nicht auf dem schwarzen Feld h8 geschlagen worden sein. Und selbst wenn: Wie käme denn [Bg2] bis nach g7 — an sBg6 vorbei? Dafür fehlen Schlagobjekte.

Also müssen wir irgendwie das Ausruhen am Laternenmast ausnutzen …

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Retro der Woche 03/2023

Habe ich euch mit dem letzten Retro der Woche schon neugierig auf den ersten Preis des Yoav Ben-Zvi Gedenkturniers gemacht? Wenn das noch nicht ausgereicht haben sollte, will ich die Ansicht des Preisrichters Hans Gruber zitieren: „one of the most exciting compositions that ever was created.“

Michel Caillaud
Yaov Ben-Zvi Gedenkturnier 2022, 1. Preis
Beweispartie in 45 Zügen (16+14)

 

45 Züge sind eine ganze Menge, und Michel erwähnt, dass man die Aufgabe mit 46.e4+ natürlich noch verlängern könnte, was Rekord für Beweispartien ohne Umwandlungen sei, aber der interessiere ihn nicht bei dieser Aufgabe.

Bei Weiß sind nach alle Mann an Bord, bei Schwarz fehlen [Bc7] und [Lc8], die offensichtlich auf c3 und auf b3 (Felderfarbe des schwarzen Läufers) geschlagen wurden. Das hilft für das Lösen nur bedingt weiter; spannender ist da schon die auffällige Ansammlung der Türme im Südosten.

Hier kann, hier muss man ähnlich versuchen zu lösen, wie man es bei Auflöse-Retros machen würde: „Löse den Knoten im Südosten auf!“

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Retro der Woche 23/2022

Wie beinahe immer wurde auch beim diesjährigen Treffen der Märchenschachfreunde in Andernach eine neue Bedingung vorgestellt und gleich kompositorisch erprobt. Dieses Mal war es Dister, erfunden von Andreas Thoma, der es wie folgt (um einige Sonderfälle und Verbindungen mit anderen Bedingungen gekürzt) erklärt:

„Beim Dister (etwas ausführlicher könnte man auch Distancer sagen) geht es um den maximalen Abstand zweier bestimmter Diagrammsteine, der Bezugssteine S1 und S2, die im bzw. unter dem Diagramm festgelegt sind. Beim maxdister muss Schwarz so ziehen, dass die Entfernung zwischen S1 und S2 nach Beendigung des Zuges (inclusive eventueller Wiedergeburten) maximal ist. Dabei bleibt die Wirkung auf den gegnerischen König normal (wie beim Längstzüger). Die Parade von Schachgeboten gegen den eigenen König hat Vorrang vor der Dister-Bedingung. Beim mindister ist minimale statt maximaler Distanz gefordert.“

Und wie beinahe immer gewann auch in diesem Jahr eine Beweispartie das entsprechende Thematurnier!

Michel Caillaud
Andernach 2022, 1. Preis
Beweispartie in 17 Zügen, MaxDister; Bezugssteine kopfstehend (14+15)

 

Wenn ihr euch ein wenig in die Bedingung eingedacht habt, werdet ihr euch sicher schnell über den „Dister-Bauern“ auf h5 wundern: Er hatte natürlich auf h7 die Maximaldistanz zum anderen Bezugsstein Ba2 – wir konnte er dann nach h5 kommen? Oder konkreter: Wie konnte er nach h5 gezwungen werden, denn nach den „normalen“ Dister-Regeln hätte er sich nicht bewegen dürfen, da jeder Zug von h7 ja die geforderte Maximaldistanz verringert hat.

Ein wenig weiteres Nachdenken ergibt, dass kein Zug des [Bh7] direkt auf der h-Linie erzwungen werden kann: Weder h7-h6 noch h7-h5.

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Retro der Woche 06/2022

Das letztjährige Champagnerturnier (Ein Stein schlägt mindestens zwei Umwandlungssteine), traditionell im Rahmen des WCCC von Michel Caillaud organisiert und gerichtet, hat auch im Jahr 2021 wieder sehr gute Retros hervorgebracht. Die Aufgaben, die den ersten bzw. den dritten Preis in der Abteilung für Beweispartien erhalten hatten, habe ich hier schon gezeigt; heute möchte ich auf den zweiten Preis zurückkommen.

Roberto Osorio & Jorge J. Lois
Champagnerturnier 2021, 2. Preis Gruppe A
Beweispartie in 22 Zügen (13+13)

 

Die Analyse der schwarzen Stellung ist recht einfach: Nur ein Zug ist sichtbar, es fehlen die drei östlichen Bauern, ansonsten haben wir die schwarze Partieanfangsstellung auf dem Brett.

Die Aktionen des Weißen sind schon komplizierter: Wir sehen auf dem Brett 1+1+3+2+4+6=17 Züge – gleich fünf sind also noch frei! In denen müssen aber die beiden fehlenden weißen Bauern verschwinden und ebenso der [Lc1], der wegen der Felderfarbe nicht auf a6 geschlagen werden konnte!

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