Retro der Woche 23/2015

Das Treffen der französischen Problemfreunde am Pfingstwochenende kann in diesem Jahr auf eine 35-jährige Tradition zurückschauen; erstmals wurde es 1980 von Jean Zeller in Mulhouse im Elsass organisiert.

Dort finden stets verschiedene Kompositionsturniere auch für Retros statt, die Preisträger-Riege des 2008er Treffens möchte ich euch heute vorstellen.

Nicolas Dupont & Éric Pichouron
Messigny 2008, 3. Preis
Beweispartie in 17 Zügen (15+14)

 

Bei Weiß fehlt offensichtlich der [Bf2], bei Schwarz [Be7] und [Bb7]. Der Doppelbauer auf der c-Linie impliziert sofort mindestens eine Umwandlung: Entweder hat [Bb7] einen weißen Stein auf der c-Linie geschlagen, um dann auf c3 selbst geschlagen worden zu sein: Dann muss [Bf2], nachdem er [Be7] geschlagen hat, auf e8 umgewandelt haben, um den geschlagenen Stein zu ersetzen oder sich dort selbst zu opfern.

Alternativ kann ein schwarzer Stein nach c3 gezogen haben, um sich dort zu opfern — dann aber muss Schwarz umgewandelt haben, um diesen Stein zu ersetzen.

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Erste Klarstellungen zum 10. WCCT

Gestern sind die ersten Klarstellungen zum 10. WCCT erschienen, die sich mit Fragen zu den Abteilungen A, B, G und H beschäftigen.

Für die Retros wurde bestätigt, dass Umwandlungssteine im Diagramm zulässig sind; eine Frage, ob auch AnachB Schach erlaubt sei, wurde mit “Nein” beantwortet.

Retro der Woche 22/2015

Häufig findet man in Retros eine Vorwärts-Forderung wie „#1“, um dem Problem einen „orthodoxen Anstrich“ zu geben, in der Hoffnung, dadurch vielleicht mehr Interessenten für die Retroanalyse zu finden. Dies war in den Frühzeiten der Retroanalyse, als sie sich noch nicht als eigenständige Problemgattung emenzipiert hatte, sicherlich eine sehr natürliche Überlegung.

Wenn man jetzt solch eine Forderung findet, sollte man immer den genauen Sinn hinterfragen — so auch beim heutigen Beispiel.

Leonid M. Borodatow
Die Schwalbe 1974
#1 — Welches waren die letzten 7 Einzelzüge? (15+6)

 

Hier ist für Schwarz überhaupt kein Matt zu sehen, und das durch Weiß ist so schwer auch nicht zu finden – also reine „orthodoxe Camouflage“? Nein, sicherlich nicht, denn das Matt verrät auch etwas über die Vergangenheit der Stellung: Weiß kann Matt setzen, ist also gemäß der Forderung am Zug — und damit hat Schwarz zuletzt gezogen.

Und nun können wir uns mit der Retroanalyse der Stellung beschäftigen.

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Retro der Woche 18/2015

Das gerade erschienene Januar-Februar Heft 2015 von feenschach enthält den Preisbericht zum René J. Millour-70-Geburtstagsturnier, gemeinsam von feenschach und Die Schwalbe ausgerichtet; gefordert waren Aufgaben mit Umwandlungen, einem der Lieblingsthemen das Jubilars.

Er hat selbst gerichtet und seinen Bericht in drei Teile aufgeteilt: orthodoxe Aufgaben, Märchenaufgaben mit direktem Spiel und Märchenaufgaben mit Hilfsspiel.

Ziemlich überrascht und hoch erfreut war ich, als ich sah, dass der erste Preis der orthodoxen Abteilung an eine Beweispartie ging:

Nicolas Dupont und Silvio Baier
71. feenschach-TT 2015, 1. Preis
Beweispartie in 31 Zügen (12+14)

 

Dass wir es hier mit Umwandlungen zu tun haben, ist ja selbstverständlich: Das steht schon über dem Diagramm. Dennoch sind sie sehr gut verborgen, denn die bei Umwandlungs-Häufungen in Beweispartien üblichen Doppelbauern, die meist hervorragende Lösungsverräter sind, fehlen hier vollständig.

Man sieht im Diagramm nur, dass drei Schläge stattgefunden haben: Auf der a-, der b- und der d-Linie steht ein schwarzer Bauer unterhalb seines weißen Kollegen.

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Retro der Woche 14/2015

Bereits vor einigen Wochen hatte ich hier eine Beweispartie des Australiers Peter Wong vorgestellt, in der es um Tempospiel geht. Wer nun vermutet, dies sei ein Thema, das Peter gern bearbeitet, so liegt der ziemlich richtig.

Drum heute ein weiteres Beispiel aus dieser Rubrik — mit diesem Hinweis und da das Stück nicht allzu lang ist, solltet ihr es unbedingt selbst lösen, falls ihr es noch nicht kennt.

Peter Wong
British Chess Magazine 1996, 2.-6. Platz
Beweispartie in 15,5 Zügen (15+13)

 

Das Zählen der im Diagramm sichtbaren Züge (0+0+2+0+2+2=6 bei Weiß, 1+0+0+0+4+4=9 bei Schwarz) hilft uns noch nicht viel weiter, aber schauen wir uns einmal an, welche Steine fehlen.

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Retro der Woche 13/2015

Der Franzose André Hazebrouck hat überwiegend klassische Auflöse-Retros gebaut und sich hierbei intensiv mit dem Thema „Retro-Opposition“ beschäftigt. Dabei geht es darum, dass in einer bestimmten Stellung (trotz beweglicher Figuren) kein Wechsel der Zugpflicht zwischen Schwarz und Weiß möglich ist, der für die Auflösung eigentlich erforderlich wäre.

Meist sind die Aufgaben von Hazebrouck hochkompliziert; heute habe ich ein für seine Verhältnisse etwas leichteres Stück herausgesucht.

André Hazebrouck
Die Schwalbe 1993, Günter Lauinger gewidmet, Ehrende Erwähnung
#1 (wer?) (14+13)

 

Schauen wir zunächst einmal, ob wir etwas über die fehlenden Steine herausfinden können: Die weißen Bauern haben offensichtlich drei Mal geschlagen: cxb, exd und f6/h6xg7, und damit sind alle drei fehlenden schwarzen Steine erklärt. Als schwarzen Schlagzug sehen wor zunächst nur f7xe6.

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Retro der Woche 12/2015

Heute möchte ich nicht nur eine tolle Aufgabe vorstellen, sondern auch noch einen Vergleich mit einem anderen Stück anstellen, das der Autor direkt bei seinem Urdruck als Basis benannt hatte. Dennoch vergab Preisrichter Gerd Wilts für dieses — wie man deswegen zunächst meinen sollte nicht allzu originelle — Problem den ersten Preis im Informalturnier einer weltweit sehr angesehenen Retro-Rubrik.

Silvio Baier
StrateGems 2010, nach Michel Caillaud, 1. Preis
Beweispartie in 28,5 Zügen (15+11)

 

Offensichtliche Züge oder Schlagfälle durch Schwarz zu zählen ist schnell erledigt und nicht ergiebig, darum kümmern wir uns zunächst um die Züge der weißen Steine. Sofort fallen im Diagramm die drei schwarzfeldrigen weißen Läufer auf: Zwei Umwandlungen haben wir also schon erkannt.

Zählen wir nun die offensichtlichen Züge von Weiß; dabei lassen wir zunächst die schwarzfeldrigen weißen Läufer außer Betracht. Damit sehen wir 3+1+4+1+4+3=16 Züge, dies impliziert bereits den Doppelschritt des wBd4. Somit bleiben noch 13 Züge für die schwarzfeldrigen weißen Läufer.

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Retro der Woche 04/2015

Wir erinnern uns:

Bei den Verteidigungsrückzügern (VRZ) nehmen Weiß und Schwarz abwechselnd (selbstverständlich legale!) Züge zurück, wobei Weiß versucht, das anschließende “Vorwärts-Ziel”, meist ein Matt in einem Zug, zu erreichen, Schwarz dies aber durch geeignete Zugrücknahmen zu verhindern sucht.
Beim Typ Proca entscheidet die zurücknehmende Partei über mögliche Entschläge, beim Typ Høeg die andere.

So ist es hier im Lexikon definiert -– eigentlich eine einfache Sache.

Beide Arten der Verteidigungsrückzüger sind quasi gleichzeitig und unabhängig voneinander erfunden worden, nämlich Ende des Jahres 1923.

Die Definitionen der beiden Typen unterscheiden sich nur in einem einzigen Punkt. Dieser Unterschied führt jedoch zu ziemlich unterschiedlichen Strategien: Während beim Proca-VRZ jede Partei einen kompletten Zug zurücknimmt, schaut das beim Typ Høeg anders aus: Die am Zug befindliche Partei bestimmt nur den eigenen Stein, dessen Zug zurück gespielt werden soll, sowie dessen ursprüngliches Standfeld. Damit ist der Zug aber noch nicht abgeschlossen; dies erfolgt erst durch die Entscheidungen der Gegenseite!

Nun nämlich bestimmt die Gegenpartei (natürlich im Rahmen der Legalität der entstehenden Stellungen), ob diese Zugbewegung einen Schlagfall einschließen konnte oder gar musste. Beantwortet sich diese Frage mit JA, so entscheidet diese Partei, also die Gegenseite, welcher Stein seiner Farbe entschlagen wird. Falls kein Stein aus retroanalytischen Gründen entschlagen werden muss, sondern entschlagen werden kann, so kann sie sich auch entscheiden, keinen Stein einzusetzen.

Diesen Unterschied wollen wir uns anhand des Schemas anschauen, mit dem Niels Høeg seine Idee ursprünglich vorgestellt hat -– das Gedankenspiel, das wir nun vornehmen werden, stammt selbstverständlich nicht von ihm, da er den Typ Proca noch nicht kannte.

Niels Høeg
Eskilstuna-Kuriren 1418, 8.12.1923
-1 & #1,VRZ Høeg (4+3)

Weiß könnte sofort mattsetzen: mit 1.Lg5#, aber auch mit 1.Sf7#. Aber er muss ja zunächst einen Zug zurücknehmen, der natürlich unschädlich sein soll, also weiterhin eines der Satzmatts erhalten soll. Ein beliebiger Springer-Rückzug (z.B. R 1.Sb7-d8) würde Schwarz erlauben, auf d8 einen eigenen Läufer oder eine Dame einzusetzen, und Weiß kann nicht mattsetzen.

Nun erscheint etwa R 1.Le7-h4 ganz pfiffig, denn das behält doch beide Mattdrohungen aufrecht! Aber auch dagegen kann sich Schwarz verteidigen, indem er auf h4 nun einen schwarzen Turm oder eine schwarze Dame ergänzt, und Weiß muss sich nun in seinem Vorwärtszug um die Abwehr dieses Schachgebots kümmern, kann also nicht mattsetzen!

Also bleibt Weiß nur, eine Umwandlung in den Springer zurückzunehmen: R Bd7-d8=S (Schwarz kann nichts einsetzen, da dieser Zug garantiert schlagfrei gewesen ist) würde funktionieren, aber scheitert am Retropatt. R Bc7-d8=S ist im Prinzip wie die Rücknahme eines Springerzuges, Schwarz kann auf d8 also einen Läufer oder eine Dame ergänzen. Also löst nur R Be7-d8=S, und nun kann Schwarz eine beliebige eigene Figur auf d8 einsetzen: Keine verteidigt, so dass Weiß nun mit Lg5 mattsetzen kann.

Interpretiert man die Stellung als VRZ Proca, so könnte Weiß alle möglichen Rückzüge auch zurücknehmen und entweder nichts oder Unschädliches entschlagen, z.B. R Sb7-d8 oder auch R Le7:Sh4 (Entschlag ist erforderlich, da Schwarz sonst retropatt wäre).

Da sieht man schon deutliche Unterschiede!

Schauen wir uns nun die erste „richtige“ VRZ Høeg Aufgabe an:

Niels Høeg
Eskilstuna-Kuriren 1419, 8.12.1923
-2 & #1,VRZ Høeg (8+2)

Weiß nimmt die Turmumwandlung auf b8 zurück: Damit kann Schwarz nichts entschlagen bzw. einsetzen und hat nun genau vier Felder, von denen sein König in seinem letzten Zug kommen konnte.

Kam der schwarze König von a8, so ergänzt Weiß auf a7 einen weißen Läufer, nimmt b6-b7+ zurück und setzt mit Lc6 matt. (Übrigens kann Weiß nicht wBa7 ergänzen: Das wäre legal, aber dann kann er nicht mit b6-b7 das Schach aufheben (sondern nur mit c6xXb7+), da dies zu einer illegalen Bauernstellung führen würde!)

Wie notiert man nun die Lösung? Nun, das kann man machen wie bei allen anderen Retro-Aufgaben auch, also für diese Variante R 1.b7-b8=T Ka8:La7 2.b6-b7+ & vor: 1.Lc6#.

Aber Niels Høeg hatte eine andere Schreibweise vorgesehen und sie in seiner Schrift On Retraction Chess Problems (1927) so eingeführt: „The moves of retraction chess are written down in the form in which the reversed move of ordinary chess would have been written, and added men are stated in [].”

Er hat also bewusst eine abweichende Notation gegenüber der üblichen Retro-Notation, die auch damals schon verbreitet war, gewählt. Der Grund erscheint mir sehr gut und überzeugend: Während beim normalen Retro (und auch beim Proca-VRZ) der komplette Zug vollständig von der zurücknehmenden Partei bestimmt wird (wie im Partieschach), weicht der Høeg-Typ ja hiervon ab. Die zurücknehmende Seite bestimmt ja nur Ausgangs- und Zielfeld ihrer Rücknahme, aber damit ist der Zug ja noch nicht abgeschlossen, sondern dann entscheidet die andere Seite, ob und wenn ja was entschlagen worden sein soll.

Ich schlage allerdings runde Klammern vor, um bei möglichen (Anti-) Circe Aufgaben nicht mit den eckigen Klammern zu kollidieren, die dort ja das Versetzungsfeld angeben.

Damit können dann alle vier Varianten angegeben werden:

R 1.b7-b8=T Ka8-a7(L) 2.b6-b7+ & vor: 1.Lc6#; 1.– Kb8-a7(T) 2.Lc6-d7(beliebig) & vor: 1.Ta8#; 1.– Ka6-a7(L) 2.b6-b7 & vor: Lc8#; 1.—Kb6-a7(T) 2.c2-c3 (einziger neutraler Wartezug!) & vor: 1.b8=D#.

Schaut euch noch einmal genau an, weshalb andere Einsetzungen nicht gehen!

Auch wenn die Høeg-Retraktoren längst nicht so verbreitet sind wie ihre Kollegen vom Proca-Typ, so bin ich fest davon überzeugt, dass hier noch jede Menge zu entdecken ist –- auf dem orthodoxen Gebiet ebenso wie zusammen mit Märchenbedingungen!