Retro der Woche 40/2016

Auf der Schwalbe-Tagung in Güstrow habe ich am gestrigen Samstagabend einen kleinen Vortrag zum Thema „Retro-Retraktoren“ gehalten. Den kurios erscheinenden Titel muss ich kurz erklären: Bei vielen Verteidigungsrückzügern (VRZ) zeigt die Lösung interessantes strategisches Spiel, das das „Rückwärts-Ziehen“ natürlich ausnutzt -– echte Retroanalyse ist jedenfalls oft kaum Inhalt der Aufgaben.
Andererseits gibt es auch VRZs, bei denen die Lösung stark von der Retroanalyse der Stellungen abhängt. Einige solcher Aufgaben, die den Retro-Charakter der Lösung besonders betonen, habe ich gestern im Vortrag präsentiert; ein recht einfaches, aber sehr instruktives Beispiel möchte ich heute hier vorstellen.

Joaquim Crusats & Andrej Frolkin
Quartz 2010
-3 & #1, VRZ Proca (11+9)

 

Wir erinnern uns: Beim Verteidigungsrückzüger nehmen beide Seiten abwechselnd legal einen Zug zurück. Weiß versucht, die Vorwärtsforderung (hier also ein Matt in einem Zug) vor in unserem Fall drei Zügen zu erreichen, d.h. nach der Rücknahme seines dritten Zuges will er in einem Zug mattsetzen können. Schwarz versucht dies zu verteidigen. Beim Typ Proca bestimmt die zurücknehmende Partei, ob ihr Zug einen Schlag beinhaltete und welcher gegnerische Stein geschlagen wurde – natürlich unter Beachtung der Legalität der Stellung.

Schauen wir uns nun die Diagrammstellung etwas genauer an.

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Klaus Wenda 75

Heute gehen ganz herzliche Glückwünsche nach Wien, wo Klaus Wenda seinen 75. Geburtstag feiert.

Schon als Schüler interessierte er sich für Schachprobleme, bekam dann als Student im Wiener Halumbirek-Zirkel die „neudeutschen Weihen“ verliehen, entwickelte sein Interesse aber sehr breit. Schon als Twen wurde er internationaler Preisrichter der FIDE, wurde er österreichischer Delegierter bei der damaligen PCCC, der er dann von 1986-1994 vorstand; heute ist er Ehrenpräsident der Nachfolge-Organisation WFCC. Seit 2010 ist er Kompositions-Großmeister.

2001 initiierte er mit seinem Aufsatz „Beckmesser versus Stolzing. Reflexionen zur Legalität unter der Anticirce-Bedingung“ in feenschach den immer noch ungebrochenen Boom der Verteidigungsrückzüger mit der Anticirce-Bedingung.

Eine hübsche Aufgabe dieses Typs mit überraschendem Pattbild habe ich für heute herausgesucht:

Klaus Wenda
Uralski Problemist 2005, 1. Preis
-5 & =1 VRZ Proca, Anticirce (6+2)

 

R 1.Sb1xBc3[Sg1] c4-c3 2.Lc6-b7 c5-c4 3.Bb7xLa8=S[Sb1] Kb1-c1/Tb1-a1 4.Ke1-e2 Kc1-b1/Ta1-b1 5.Kc3xBc4 & vor: 1.b7xa8=T[Th1] patt!. Ta1 kann nicht ziehen, da dann das Wiedergeburtsfeld a1 frei wird, sK kann nicht schlagen, da e8 gedeckt ist, kann auch nicht auf der ersten Reihe ziehen, da dann das Widergeburtsfeld für den Turm nicht mehr a1, sondern h1 wird.

Lieber Klaus, von ganzem Herzen wünsche ich dir, dass du den heutigen Tag mit deiner Familie, deinen Freunden wunderschön feiern kannst – und für das nächste Vierteljahrhundert wünsche ich dir alles denkbar Gute!

Retro der Woche 24/2016

Bekanntlich ist die Besonderheit des Verteidigungsrückzügers gegenüber anderen Teilbereichen der Retroanalyse, dass hier Weiß und Schwarz nicht kooperieren wie etwa bei Auflöse-Aufgaben oder Beweispartien, sondern Weiß ein Ziel verfolgt, gegen das Schwarz sich zu verteidigen sucht – in gewisser Weise also vergleichbar mit „normalen“ Mattaufgaben im Vorwärtsspiel, wo sich Schwarz ja auch gegen die Mattversuche des Weißen verteidigen will.

Damit lassen sich auch im Verteidigungsrückzüger „neudeutsche“ Planstaffelungen darstellen, bei denen auch beispielswiese Fragen der Zweckökonomie diskutiert werden können.

Joaquim Crusats & Andrej Frolkin
Probleemblad 2011 (V), 1. Preis 2009-2012
-6 & #1, VRZ Proca (13+11)

 

Unser heutiges Stück ist solch ein neudeutsches Beispiel. Andreas Thoma hatte kurzfristig die vakanten Preisrichter-Stellen für gleich vier Probleemblad-Jahrgänge übernommen, sein Bericht wurde im gerade erschienenen Heft für das zweite Quartal 2016 publiziert.

Wenn Schwarz nach R 1.La1-h8 zur Rücknahme der Rochade gezwungen wäre, so wäre Weiß bereits am Ziel: R 2.Lf6-a1 & vor: 1.Txd8#. Aber Schwarz kann sich mit R 1.—Kg7-g8! verteidigen, und Weiß muss mittels 2.c3xXb4 die Diagonale schließen.

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Entscheid im 1. Retroblog-TT

Sechs Aufgaben waren beim Turnierdirektor Hans Gruber eingegangen, von denen zwei leider nebenlösig waren. Dennoch konnten Andreas Thoma und ich als Preisrichter drei Aufgaben auszeichnen: Allein die erstplatzierte Aufgabe zeigt, dass sich das Turnier gelohnt hat!

Heute haben Andreas und in in Andernach im Rahmen eines kleinen Vortrags die ausgezeichneten Aufgaben vorgestellt; ihr könnt den Preisbericht natürlich vollständig herunterladen.

Zur Einstimmung zeige ich hier die mit einem Preis ausgezeichnete Aufgabe — löst sie doch selbst, bevor ihr im Preisbericht nachschaut. Hochmoderne, VRZ-spezifische Zweizüger-Thematik gibt es hier zu bewundern!

Michel Caillaud
1. Retroblog Thematurnier 2016, Preis
-2 &amp #1 VRZ Proca, Anticirce (8+9)

Lösungen zur Einstimmung

Am letzten Freitag sind hier vier Urdrucke von Andreas Thoma erschienen, die allen Teilnehmern am diesjährigen Andernach-Treffen gewidmet sind.

Hier nun wie versprochen die Lösungen:

Andreas Thoma
Retroblog 29.04.2016 (1)
-3 & #1 VZR Proca Anticirce Cheylan (4+9)

 

R 1.Kd2-c2 Bd7-d5+ 2.Ld6xLb4[Lc1] Lc5/a3-b4+ 3.a7xLb8=D[d1] & vor: 1.a8=L#.
In der Diagrammstellung steht der wK nicht im Schach! Die zweite Rücknahme ist nur erforderlich, um d7-d5 als Antwort auf den weißen Vorwärtszug zu verhindern; dafür muss Weiß ein Tempo schöpfen. Mit der Dame kann er nichts anfangen – aber mit einem Läufer! vor: 1.a8=D+ würde durch 1.—Ld1! widerlegt.

Andreas Thoma
Retroblog 29.04.2016 (2)
-3 & #1 VZR Proca Anticirce Cheylan (1+9)

 

R1.Ke7xLe8[Ke1] Lb8-e5++ 2.Kd6-e7 Sc7-d5+ 3.Ke6-d6 & vor:1 Ke5#.
Durch Selbstschachs schafft Weiß, nachdem er auf e8 entschlagen hat, die Lücke in der Kegelstellung, in der er mattsetzen kann. Der Mattzug muss natürlich schlagfrei sein, denn sonst würde der wK ja anticircensisch wieder nach e1 versetzt.

Andreas Thoma
Retroblog 29.04.2016 (3)
-4 & #1 VZR Proca Anticirce Cheylan ohne VV (1+9)

 

R 1.Kf8xTg8[Ke1] Dh8-f6++ 2.Kg7-f8 Td8-g8++ 3.Kg8-g7 Le8-g6+ 4.Kg7-g8 & vor: 1.Kf6#.
Lenkung von Dame, Turm und Läufer allein durch den weißen König.

Andreas Thoma
Retroblog 29.04.2016 (4)
-5 & #1 VZR Proca Anticirce Cheylan (1+9)

 

R 1.Kd7xLe8[Ke1] Tc8-c5++ 2.Kc7-d7 Tb8-c8++ 3.Kb6-c7 Lh8-d4++ 4.Kb7-b6 Tbel-b8+ 5.Kb6-b7 & vor: 1.Kc5#.
Und zum Abschluss noch mal eine Häufung von Lenkungen.

Ich hoffe, das Lösen hat euch Spaß gemacht? Nun seid ihr sicher fit für Andernach…

Retro der Woche 18/2016

Zwillinge in Retroaufgaben sind ziemlich selten – ich selbst hatte dies als Thema für das Karl-Fabel-100-Turnier vorgeschlagen, und dort waren sehr gute Aufgaben entstanden.

Gerade ist das neue Heft, Nummer 36, von König & Turm erschienen, in dem u.a. der Preisbericht zum dortigen 6. Thematurnier, gleichzeitig das Hanspeter-Suwe-60 Turnier, veröffentlicht wurde. Hier waren Forderungs- und/oder Bedingungswechsel in Mehrlingen verlangt, in denen die Rochade eine Rolle spielt.

In letzter Zeit haben bei solchen Turnieren, wo die Forderung frei ist, häufig Retros besonders gut abgeschnitten – für mich ein Indiz dafür, welch hervorragende und originelle Gestaltungsmöglichkeiten Retros bieten.

So auch in diesem Turnier, in dem zwei Retros die beiden Preise erhalten. Diese beiden Stücke möchte ich heute und in der kommenden Woche vorstellen.

Wolfgang Dittmann
6. K&T Thematurnier 2016, 1. Preis
a) -2 & #1, b) -2 & #2 VRZ Proca, Anticirce (10+8)

 

Huch, wie soll das denn funktionieren?? Ist nicht automatisch a) eine Kurzlösung von b)?? Da muss der große Retromeister sich aber schon etwas Besonderes ausgedacht haben, wenn das 1. nicht der Fall ist und 2. den Preisrichter Hanspeter Suwe so begeistert hat, dass er das Stück auf den 1. Platz gesetzt hat. (Hier gibt es Erläuterungen zum Verteidigungsrückzüger; zu Anticirce-Procas siehe z.B. die Einstimmung auf Andernach)

Vielleicht wollt ihr vor dem Weiterlesen einen Moment drüber nachdenken, wie das funktionieren könnte??

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Einstimmung auf Andernach

In wenigen Tagen, am kommenden Donnerstag, beginnt das Märchenschachtreffen in Andernach, und dort will Andreas Thoma ein kleines Löseturnier für (nicht allzu schwere) Anticirce-Procas ausrichten.

Wer es nicht mehr schafft, bis Andernach noch in ein Trainingslager zu gehen, kann hier ein wenig üben: Andreas hat mir vier Kegelprobleme zur Verfügung gestellt, die ich euch nun zum Lösen anbieten möchte. Alle Aufgaben sind hoffentlich vielen Lesern gewidmet – nämlich allen Teilnehmern am diesjährigen Andernach-Treffen!

Hier noch einmal kurz die Anticirce-Regeln:
Ein schlagender Stein (auch König) wird nach dem Schlag als Teil desselben Zuges auf seinem Partieanfangsfeld, ein schlagender Märchenstein auf dem Umwandlungsfeld der Linie wiedergeboren, in der der geschlagene Stein stand; der geschlagene Stein verschwindet. Ist das Wiedergeburtsfeld besetzt, ist der Schlag illegal. Ein wiedergeborener König oder Turm gilt als neu und darf rochieren. Beim Typ Calvet sind Schläge auf das eigene Wiedergeburtsfeld erlaubt, beim Typ Cheylan nicht. Bei der Angabe „ohne VV“ (Vorwärtsverteidgung) darf Schwarz sich nicht verteidigen, indem er nach einer Zugrücknahme selbst mit einem Vorwärtszug den weißen König mattsetzt.

Andreas Thoma
Urdruck (1)
-3 & #1 VZR Proca Anticirce Cheylan (4+9)

 

Verblüffenderweise entledigt sich Weiß einer starken Figur, um mit einer schwächeren Matt zu setzen.

 

Andreas Thoma
Urdruck (2)
-3 & #1 VZR Proca Anticirce Cheylan (1+9)

 

Hier und in den folgenden beiden Aufgaben ist der weiße König auf sich allein gestellt, um also selbst mattsetzen zu können, muss er Schwarz irgendwie zwingen, e8 zu besetzen.

Andreas Thoma
Urdruck (3)
-4 & #1 VZR Proca Anticirce Cheylan ohne VV (1+9)

 

 

 

 

Andreas Thoma
Urdruck (4)
-5 & #1 VZR Proca Anticirce Cheylan (1+9)

 

 

 

 

Die Lösungen werde ich am kommenden Mittwochnachmittag hier veröffentlichen!

1. Retroblog-TT

Das erste Retroblog Thematurnier neigt sich dem Ende zu: Turnierleiter Hans Gruber hatte die zwischen Weihnachten 2015 und Ostern 2016 eingegangenen Aufgaben an die beiden Preisrichter Andreas Thoma und mich verschickt.

Einzeln haben wir gewertet — und nicht zu glauben, wir sind unabhängig voneinander zu einem völlig identischen Ergebnis gekommen!

Auf das allerdings müsst ihn noch bis Andernach warten: Dort werden wir es in einem kleinen Vortrag vorstellen.